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Was muss man bei der Lösung komplexer Probleme beachten?

    Probleme sind gute Gelegenheiten zu zeigen, was man kann.
    Edward Kennedy „Duke“ Ellington

    Ereignissen wie die Ölkrise, ersten Modellrechnungen des Club of Rome, die die Grenzen des Wachstums aufzeigten und menschheitsbedrohende Problemfelder wie die Klimakriste, führte in der Psychologie dazu, sich mit dem Lösen komplexer im Unterschied zu einfachen Problemen zu beschäftigen. Hinzu kam auch die fachinterne Unzufriedenheit mit der Vorhersagbarkeit relevanter Merkmale wie beruflichem, wirtschaftlichem oder politischem Erfolg durch klassische Intelligenztests, sodass nach alternativen Messinstrumenten zur Erfassung menschlichen Umgangs mit komplexen Situationen gesucht wurde. Als Alternative wurde von Dietrich Dörner der Einsatz computersimulierter Szenarien vorgeschlagen, wobei solche Mikrowelten es erlauben sollten, komplexe Probleme unter kontrollierten Bedingungen im Labor zu untersuchen.
    Ein Beispiel war das Szenario Lohhausen (Dörner et al., 1983), bei dem man  die Geschehnisse einer fiktiven Kleinstadt simulierte, wobei die Versuchsperson für den Zeitraum von zehn Jahren in der Funktion eines Bürgermeisters für das Wohlergehen diese Kommune sorgen sollte, indem er mit zahlreichen Maßnahmen in das simulierte Geschehen eingreifen kann. Aus den Vergleichen erfolgreicher mit weniger erfolgreichen Personen konnten Hypothesen über Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktoren formuliert werden. Danach wurden weitere zahlreiche Szenarien variierenden Umfangs aus verschiedenen Realitätsbereichen (z.B. Ökonomie, Ökologie, Politik, Technik) entwickelt, die in der Grundlagenforschung, aber auch in der Personalauswahl und Personalentwicklung zur Anwendung kamen.

    Die Merkmale eines komplexen Problems unterscheiden sich deutlich von den Anforderungen einfacher Probleme, etwa die

    Komplexität der Problemsituation: Diese ist traditionell durch die Anzahl beteiligter Variablen bestimmt worden. Sicherlich mag dies einen ersten Anhaltspunkt für die Einschätzung der Schwierigkeit eines Problems abgeben, aber erst die Hinzunahme weiterer Kennzeichen erlaubt verlässlichere Aussagen. Komplexität verlangt von der problemlösenden Person eine Vereinfachung durch Reduktion auf das Wesentliche.

    Vernetztheit der beteiligten Variablen: Natürlich ist nicht die bloße Anzahl von Variablen für die Anforderungen an die problemlösende Person ausschlaggebend, sondern vor allem deren Vernetzung untereinander. Ist bei einem System von 100 Variablen jede Variable mit genau einer anderen verbunden, ist die Vernetztheit niedriger, als wenn alle Variablen mit allen anderen verbunden sind. Vernetztheit verlangt Modellbildung, durch die die wechselseitigen Abhängigkeiten sichtbar gemacht werden.

    Dynamik der Problemsituation: Dieses Merkmal beschreibt die Tatsache, dass die Eingriffe in ein komplexes, vernetztes System Prozesse in Gang setzen, deren Auswirkungen möglicherweise nicht beabsichtigt waren. Eine besondere Variante stellt die Eigendynamik dar, mit der zum Ausdruck kommt, dass in vielen Fällen ein Problem nicht auf die problemlösende Person und ihre Entscheidungen wartet, sondern sich die Situation über die Zeit hinweg von selbst verändert. Dynamik verlangt den Einbezug des Faktors „Zeit“.

    Intransparenz in Hinblick auf die beteiligten Variablen wie auch in Hinblick auf die Zielstellung: In einer komplexen Situation liegen nicht alle erforderlichen Informationen vor, die der problemlösenden Person idealerweise zur Verfügung stehen sollten. Intransparenz verlangt Informationsbeschaffung.

    Polytelie: Intransparenz gibt es auch in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele. In einer komplexen Situation gibt es meist nicht nur ein Ziel, sondern es müssen mehrere Ziele simultan beachtet werden. Polytelie verlangt das Abwägen und Balancieren von eventuell kontradiktorischen Zielen.

    Nach Dörner (1975) sollte bei der Lösung komplexer Problemsituationen daher vor allem auf acht Aspekte Bedacht genommen werden: auf die Komplexität (Vernetztheit) des Systems, seine Dynamik (inklusive Zeitverhalten), seine Transparenz sowie auf die Wirkungsbreite, Reversibilität, den Anwendungsbereich, die Wirkungssicherheit und die Effizienz der Problemlösemaßnahmen.

    Literatur

    Dörner, D. (1975). Problemlösen als Informationsverarbeitung. Stuttgart: Kohlhammer.
    Dörner, D., Kreuzig, H.W., Reither, F. & Stäudel, T. (1983). Lohhausen. Vom Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität. Bern: Huber.
    Dörner, D. (1996). Der Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexizität und der Gebrauch von Computersimulation. Kölner Z. Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft Nr. 36, 489-515
    https://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/hdb_ap/KPL_Muster_JF.pdf (04-11-10)