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Im Schlaf geht das Gehirn in einen Wächter-Verarbeitungsmodus

    Frühere Forschungen hatten gezeigt, dass die sensorische Verarbeitung während des Schlafs weiterläuft. Das Gehirn reagiert während des Schlafs aber selektiv auf Umweltreize, wobei die funktionelle Rolle solcher Reaktionen und die Frage, ob sie die Informationsverarbeitung oder eher die sensorische Hemmung widerspiegeln, jedoch noch nicht vollständig geklärt sind.

    Ameen et al. (2022) haben Schlafende mit ihrem eigenen Namen und zwei unbekannten Vornamen konfrontiert, die entweder von einer vertrauten Stimme oder einer unbekannten Stimme gesprochen wurden, während sie während einer ganzen Nacht polysomnographisch überwacht wurden. Es zeigte sich, dass das Gehirn anders auf fremde als auf vertraute Stimmen reagierte, nämlich aktiver.

    Dieses Ergebnisse zeigen, dass die Gehirnreaktionen auf auditive Reize je nach ihrer Relevanz für den Schläfer unterschiedlich ausfallen und dass K-Komplexe eine Schlüsselrolle bei der Modulation der sensorischen Verarbeitung im Schlaf spielen. Bei K-Komplexen handelt es sich um ein spezielles Muster von Gehirnwellen, das mit der Verarbeitung akustischer Reize während des Schlafs verbunden ist und es dem Schläfer gleichzeitig ermöglicht, weiterzuschlafen, wenn der Reiz als nicht zu bedrohlich empfunden wird.

    Eine solche inhaltsspezifische, dynamische Reaktivität auf externe sensorische Informationen versetzt das Gehirn offenbar in die Lage, in einen „Wächter-Verarbeitungsmodus“ einzutreten, in dem es sich mit den wichtigen internen Prozessen befasst, die während des Schlafs ablaufen, während es gleichzeitig die Fähigkeit beibehält, lebenswichtige externe sensorische Informationen zu verarbeiten. Je weiter die Nacht fortgeschritten war, umso vertrauter wurden die fremden Stimmen und umso seltener und geringer fielen die im EEG sichtbaren Reaktionen aus, was ein Zeichen dafür ist, dass das Gehirn möglicherweise auch während des Schlafes lernt. Je vertrauter durch Wiederholung die zunächst unbekannten Stimmen wurden, desto seltener traten Hirnreaktionen auf.

    Literatur

    Ameen, Mohamed S., Heib, Dominik PJ, Blume, Christine & Schabus, Manuel (2022). The brain selectively tunes to unfamiliar voices during sleep. The Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.2524-20.2021.