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Soziale Medien liefern ein verzerrtes Spiegelbild der Gesellschaft

    Soziale Medien präsentieren oft eine verzerrte Realität der gesellschaftlichen Normen, anstatt ein authentisches Abbild zu liefern. Dies liegt vor allem an ihren Empfehlungsalgorithmen, die darauf ausgelegt sind, Aufmerksamkeit zu maximieren und dadurch extreme und laute Minderheiten zu privilegieren. Forschende der New York University vergleichen diese Dynamik passend mit einer „Fabrik aus Zerrspiegeln“, die auf Jahrmärkten zu finden sind und Dinge in unproportionaler Weise darstellen. Anstatt die Gesellschaft realistisch widerzuspiegeln, erzeugen soziale Medien ein Bild, in dem kleine, aber laute Gruppen als repräsentativ für die Mehrheit erscheinen.

    Dieses Phänomen wird deutlich, wenn man bedenkt, dass Online-Diskussionen oft von einer überraschend kleinen, aber nicht-repräsentativen Minderheit dominiert werden. Studien belegen beispielsweise, dass ein Großteil politischer Inhalte oder sogar Falschnachrichten von einem sehr geringen Prozentsatz der Nutzer verbreitet wird. Die wiederholte Konfrontation mit diesen verzerrten Ansichten kann dazu führen, dass Nutzende das Gesehene als neue gesellschaftliche Norm wahrnehmen. Dies birgt erhebliche Risiken: Es kann zu Polarisierung, erhöhter Feindseligkeit zwischen gesellschaftlichen Gruppen und sogar zur Unterstützung autoritärer Regime führen. Die Wurzel des Problems liegt im Design der werbefinanzierten Plattformen, die nach dem Prinzip der Aufmerksamkeitsökonomie funktionieren und Anreize für das Posten von Inhalten schaffen, die maximale Interaktion hervorrufen.

    Obwohl diese Dynamik besorgniserregend ist, gibt es Wege aus der „Zerrspiegelfabrik“. Der erste und wichtigste Schritt ist, die Illusion zu durchschauen und zu erkennen, dass hinter provokanten Beiträgen oft eine schweigende Mehrheit steht. Nutzende können die Kontrolle über ihre Feeds zurückgewinnen, indem sie diese bewusst gestalten, nicht auf Empörungsfallen hereinfallen und die Weiterverbreitung von Nonsens verweigern. Experimente haben gezeigt, dass das Entfolgen von polarisierenden Accounts die empfundene Feindseligkeit gegenüber anderen politischen Gruppen erheblich reduzieren kann.

    Auch die Plattformen selbst könnten aktiv werden. Sie hätten die Möglichkeit, ihre Algorithmen so umzugestalten, dass ausgewogenere und repräsentativere Inhalte statt der schrillsten Stimmen bevorzugt werden. Allerdings ist dies aufgrund der werbefinanzierten Geschäftsmodelle der größten Social-Media-Konzerne unwahrscheinlich. Hier kommt die Politik ins Spiel: Gesetze wie der Digital Services Act (DSA) in der EU verpflichten sehr große Plattformen dazu, systemische Risiken – wie die Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte – zu erkennen und Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Eine mögliche Maßnahme könnte die Anpassung der Empfehlungssysteme sein, um ein gesünderes Online-Umfeld zu schaffen.