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Meditationen gegen Schmerzen

    Jahrtausendelang ging man davon aus, dass Achtsamkeit Schmerzen lindert, indem sie den Einfluss der Selbsteinschätzung schädlicher Empfindungen reduziert. Heute ist die Achtsamkeitsmeditation eine äußerst beliebte und wirksame Schmerztherapie, bei der man davon ausgeht, dass sie mehrere, nicht mit Placebo zusammenhängende Mechanismen zur Schmerzlinderung aktiviert. Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die durch Achtsamkeitsmeditation hervorgerufene Schmerzlinderung mit der Aktivierung einzigartiger cortikothalamo-cortikaler nozizeptiver Filtermechanismen verbunden ist. Die funktionellen neuronalen Verbindungen, die die auf Achtsamkeitsmeditation beruhende Analgesie unterstützen, sind jedoch noch unbekannt.
    Riegner et al. (2022) haben in einer mechanistisch ausgerichteten klinischen Studie die funktionelle Magnetresonanztomographie mit psychophysikalischen Schmerztests kombiniert, um die neuronalen Verbindungen zu identifizieren, die die direkte Modulation schmerzbezogener Verhaltens- und Nervenreaktionen durch Achtsamkeitsmeditation unterstützen.
    Sie untersuchten dabei die Hypothese, ob sich die Achtsamkeitsmeditation in einer stärkeren Entkopplung zwischen den Gehirnmechanismen, die die Bewertung (präfrontal) und die nozizeptive Verarbeitung (Thalamus) unterstützen, widerspiegelt. Nach einem Schmerztest zu Beginn wurden Probanden nach dem Zufall in eine gut validierte, viersitzige Achtsamkeitsmeditations- oder Buchhörerkur eingeteilt. Dabei wurde die Magnetresonanztomographie und Hitzereize an der rechten Wade während der Meditation kombiniert.
    Durch die Meditation reduzierte sich also die Synchronisation zwischen entscheidenden Hirnarealen, einerseits dem Thalamus und andererseits dem Default-Mode-Netzwerk. Dieses Hirnareal, das an der Selbstwahrnehmung beteiligt ist, gehört übrigens zu den ersten Regionen, die bei Bewusstlosigkeit „offline“ gehen. Zusätzlich war die Kommunikation zwischen Thalamus und dem ventromedialen präfrontalen Cortex, der Erfahrungen bewertet, reduziert. Je stärker diese Bereiche entkoppelt wurden, desto ausgeprägter war die Schmerzlinderung, von der die meditierenden Teilnehmer berichteten.
    Die Achtsamkeitsmeditation verringerte dabei die verhaltensbedingten und neuronalen Schmerzreaktionen im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant. Ganzhirnanalysen zeigten, dass die durch Achtsamkeitsmeditation induzierte Analgesie durch eine stärkere Entkopplung von Thalamus und Präkuneus bzw. eine ventromediale präfrontale Deaktivierung moderiert wurde, was auf eine schmerzmodulierende Rolle über funktionell unterschiedliche neuronale Mechanismen zur Unterstützung der selbstreferenziellen Verarbeitung hindeutet. Zwei weitere Analysen ergaben, dass die auf Achtsamkeitsmeditation basierende Schmerzlinderung auch mit einer schwächeren kontralateralen thalamischen Konnektivität mit dem präfrontalen bzw. primären somatosensorischen Cortex verbunden war.

    Literatur

    Riegner, Gabriel, Posey, Grace, Oliva, Valeria, Jung, Youngkyoo, Mobley, William & Zeidan, Fadel (2022). Disentangling self from pain: mindfulness meditation-induced pain relief is driven by thalamic-default mode network decoupling. PAIN.
    https://www.netdoktor.ch/news/meditation-mit-achtsamkeit-den-schmerz-abspalten/ (22-07-15)