Sprache ist eine kognitive Höchstleistung des menschlichen Gehirns und macht Menschen im Gegensatz zu anderen Lebewesen einzigartig. Mithilfe dieser Fähigkeit, Sätze logisch zusammenzusetzen und Grammatik zu nutzen, können sie komplexe Ideen und Informationen untereinander austauschen. Der Gebrauch von Sprache erweitert den Horizont und lässt Menschen weltweit mit Menschen in Verbindung treten. Die Sprachentwicklung ist genetisch veranlagt, denn bereits im Mutterleib entsteht im Gehirn die nötige Infrastruktur, um Sprache zu lernen. Bei der Geburt verfügt das Gehirn bereits mit Milliarden Neuronen über ein Netzwerk, das sich in den ersten Jahren verfestigt und wächst. Diese neuronalen Netze bilden eine hervorragende Basis für das Erlernen von Sprachen und werden durch neue Sprachen selbst gestärkt. Kinder erlernen mehrere Sprachen gerade in den ersten Jahren am leichtesten und unkompliziertesten, genauso wie sie gleichzeitig Laufen und ihre Hände zu benutzen lernen. Die neuronalen Netzwerke von Kindern sind nicht nur fähig, mehrere Sprachen aufzufassen und zu unterscheiden, sondern sie profitieren sogar langfristig davon.
Kinder, die früh eine neue Sprache zu lernen, verdichten die graue Substanz in ihrem Gehirn, also den Bereich, wo sich die Nervenzellen und Fasern befinden, die Sprache und Informationen verarbeiten und somit Kommunikationsfähigkeiten stärken. Eine kommunikationsreiche Umgebung ist daher neben den anatomischen Voraussetzungen maßgeblich für die Bi- oder Multilingualität. Nutzt man mehr als eine Sprache aktiv, ist das Gehirn permanent damit beschäftigt, die Schnittstelle der unterschiedlichen Sprachkompetenzen zu organisieren. Dies ist wichtig, um herauszufiltern, welche Sprache man letztlich nach außen kommuniziert, wodurch auch die Aufmerksamkeit und Planungskompetenz gesteigert wird. Durch die notwendige Verwaltung der Sprachfähigkeiten werden auch die Selektionsmechanismen und damit auch die Selbstregulierung geübt.
Die hohen kognitiven Anforderungen an das Gehirn, wenn man zwei- oder mehrsprachig unterwegs ist, wirken stimulierend und sorgen dafür, dass man mental länger fit bleibt. Die Fähigkeit, flexibel zwischen Aufgaben zu wechseln und Prozesse aufmerksamer zu steuern (Exekutivfunktionen), kann den Grundstein für akademischen Erfolg legen und sich somit positiv auf langfristige Gesundheit auswirken. So ist das Risiko für Alzheimer bei Menschen, die bilingual aufgewachsen sind, geringer als bei monolingualen Menschen.
Siehe dazu im Detail Mehrsprachigkeit – Chance oder Risiko?
Viele Eltern, die ihre Kinder auf eine globalisierte Welt vorbereiten wollen, entscheiden sich für eine bilinguale Schule, oft schon in der Grundschule. Nach einer Erhebung des Vereins Frühe Mehrsprachigkeit in Kitas und Schulen gab es bereits 2014 in Deutschland 287 zweisprachige Grundschulen, an denen zusätzlich zum Sprachenunterricht mindestens ein Sachfach, meistens jedoch mehrere, in einer anderen Unterrichtssprache als der Schulsprache Deutsch unterrichtet wird. Nach Schätzungen des Vereins sind es nach dieser Definition bei den weiterführenden Schulen etwa 1180, die sich bilingual nennen, Tendenz steigend. Darunter fallen binationale Schulen, Europaschulen oder deutsche Schulen mit bilingualem Schwerpunkt. Wie viel zweisprachigen Unterricht die Schulen ermöglichen, variiert deshalb stark, denn manche bieten nur einige Unterrichtsstunden in der Zweitsprache an, andere durchgängig 50 Prozent des Unterrichts oder mehr. Studien zeigen, dass junge Kinder, verglichen mit Jugendlichen und Erwachsenen, besonders aufnahmefähig für fremde Sprachen sind, denn wenn sie schon im Grundschul- oder Kindergartenalter immersiv eine Zweitsprache lernen und diese sowohl im Rahmen des Sprachunterrichts wie im übrigen Schul- oder Kindergartenalltag anwenden können, entwickeln sie allgemein eine höhere Sprachkompetenz, auch in ihrer Muttersprache, wobei es keine Rolle spielt, welches die Zweitsprache ist. In einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler, die bilingual etwa zu 50 Prozent auf Deutsch und zu 50 Prozent in ihrer Zweitsprache unterrichteten wurden, mindestens genauso gute Leistungen in allen anderen Fächern wie Kinder an Regelschulen ohne bilingualen Unterricht zeigten, speziell in Deutsch, Mathematik und in Naturwissenschaften, wobei in manchen Fällen ihre Leistungen sogar besser waren. Das bedeutet, dass Sachfächer in einer anderen Sprache als der Muttersprache unterrichtet wurden, nicht zu schlechteren Leistungen führen als bei Kindern, die auf Deutsch unterrichtet wurden. Man fand auch heraus, dass das Erlernen von Drittsprachen zu einem späteren Zeitpunkt den Kindern und Jugendlichen ebenfalls leichter fällt, da bilingualer Unterricht offenbar die metalinguistischen Kompetenzen fördert. Hinzu kommt, dass an bilingualen Schulen Kinder nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur und Traditionen eines anderen Landes kennenlernen, sodass damit die Grundlagen für interkulturelle Kompetenzen gelegt werden, die Schulabsolventen später im Beruf oder Studium viele Türen öffnen können (Zusammengefasst nach Knoke, 2022).
Knoke, Mareike (2022). Bilinguale Schulen: Spielerisch zur Zweitsprache.
https://www.spektrum.de/news/fremdsprachen-lernen-was-bringt-bilingualer-unterricht/2050830 (22-09-06)
https://www.presseportal.de/pm/151270/4928388 (21-06-01)