Damit sich das Gute im Menschen entfalten kann, bedarf es vor allem einer geistigen Fähigkeit: der Empathie. Kinder müssen erst lernen, was es heißt, sich in einen anderen Menschen einzufühlen, und auch bei Erwachsenen ist diese Gabe noch entwicklungsfähig. Empathie überbrückt die Kluft zwischen dem Ich und dem Anderen, denn ohne Empathie würde man nur die eigenen Gefühle spüren, wäre also kaum in der Lage, emotionale Beziehungen aufzubauen, d.h. man würde gewissermaßen in innerer Isolation leben (vgl. Solipsismus). Erst die Fähigkeit zur Empathie ermöglicht es dem Menschen, sich in die Gefühlswelt seines Gegenübers hineinzuversetzen, den Schmerz eines trauernden Freundes nachzuempfinden, mit jemandem mitzufühlen, der sich über seinen Vorgesetzten ärgert. Empathie ist also der Schlüssel zu fremden Gefühlswelten, und nur durch Empathie ist es möglich, die Bedürfnisse der Mitmenschen zu erkennen und auf sie einzugehen. Evolutionsbiologen sehen in der Empathie ein Erbe der Urgeschichte und gehen davon aus, dass sich Empathie in ersten Formen bereits vor Jahrmillionen entwickelt hat und somit auch fest in den Genen verankert ist. Allerdings scheint die Fähigkeit, empathisch zu reagieren, nicht allein in die Wiege gelegt zu sein, denn neuere Forschungen deuten darauf hin, dass diese Fähigkeit im Laufe des Lebens mehr oder weniger stark ausgeprägt und damit flexibler ist, als lange Zeit angenommen.