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Anthropomorphisierung als Psychotrick

    Kurios: In einer Frauenzeitschrift wird Anthropomorphismus als Psychotrick empfohlen, weil er die Lösung für negative Gefühle sein kann. Dort heißt es: „Kurz gesagt geht es darum, Nichtmenschliches zu vermenschlichen. Wir schreiben Tieren oder Gegenständen gerne menschliche Eigenschaften zu. Warum tun wir das nicht auch mit Gefühlen? (…) Ein Beispiel für die Anthropomorphisierung von Gefühlen konnte man bereits in dem Disney-Film „Alles steht Kopf“ auf der Leinwand sehen. Dort traten die Emotionen der Schauspieler als Figuren auf. Wer also seine Gefühle in eine Figur verwandelt, kann besser mit ihnen umgehen“. Es wird auf eine Studie verwiesen, in der festgestellt wurde, dass die Vermenschlichung von Traurigkeit dazu führte, dass sich die Teilnehmer anschließend weniger traurig fühlten, wobei das gleiche Phänomen auch umgekehrt festgestellt werden konnte, denn auch Glücksgefühle nahmen durch die Vermenschlichung ab. Die Studie erscheint schlüssig. Schließlich werden Gefühle oft stärker, wenn wir sie als nicht greifbar wahrnehmen. Stellen wir uns dagegen eine Person vor, distanzieren wir uns von der Emotion. So erklären Wissenschaftler auch den Effekt der Vermenschlichung von Gefühlen. Die Distanz hilft uns dann, besser mit unseren Gefühlen umzugehen und sie besser zu verstehen. Wenn du also das nächste Mal traurig bist, stell dir einfach ein kleines blaues Tränenmännchen vor. Du kannst es unbewusst befragen: Warum bist du gerade hier? Was hat dich dazu gebracht? Und du wirst sehen, dass das Tränenmännchen langsam wieder schrumpft und du dich besser fühlst.


    Chen et al. (2018) haben in mehreren Studien untersucht, wie anthropomorphes Denken das Erleben von Emotionen und das anschließende Konsumverhalten beeinflusst. Basierend auf Forschungsergebnissen zur Emotionsregulation und zum psychologischen Prozess der Dissoziation konnten sie zeigen, dass Personen, die gebeten wurden, Traurigkeit zu anthropomorphisieren, d.h. sich die Traurigkeit als Person vorzustellen, anschließend über weniger erlebte Traurigkeit berichteten. Das gleiche Ergebnis konnte für das Gegenteil, Freude, beobachtet werden, so dass anthropomorphes Denken die Freude reduziert. Die Autoren argumentieren, dass diese Verringerung der Emotionen darauf zurückzuführen ist, dass anthropomorphes Denken die wahrgenommene Distanz zwischen dem Selbst und der anthropomorphisierten Emotion vergrößert und dadurch ein Gefühl der Loslösung erzeugt. Es gibt Belege für einen Dissoziationsprozess in Form von Messungen (Studien 3 und 4) und theoretischer Moderation, wobei der Effekt abnimmt, wenn Traurigkeit als abhängige (vs. unabhängige) Person wahrgenommen wird (Studie 3). Diese Ergebnisse haben Implikationen für das Konsumentenverhalten. Wenn Traurigkeit durch anthropomorphes Denken gemildert wird, neigen Menschen dazu, beim anschließenden Konsum eine bessere Selbstkontrolle zu zeigen, was sich in einer höheren Wahrscheinlichkeit ausdrückt, ein gesünderes oder praktischeres Produkt zu wählen (Studien 4 und 5).

    Literatur

    Chen, Fangyuan, Chen, Rocky Peng & Yang, Li (2018). When Sadness Comes Alive, Will It Be Less Painful? The Effects of Anthropomorphic Thinking on Sadness Regulation and Consumption. Journal of Consumer Psychology, 30, 277-295.