Emotionale Gesichter ziehen Aufmerksamkeit und Augenbewegungen auf sich. Die neuronalen Mechanismen der Aufmerksamkeit wurden jedoch hauptsächlich während der Fixation untersucht, was im Alltag, wo Menschen ihre Augen bewegen, um die Aufmerksamkeit auf Gesichter zu richten, unüblich ist. Daher wurden in der aktuellen Studie von Kalke (2019) Eye-Tracking und Elektroenzephalographie (EEG) kombiniert, um die neuronalen Mechanismen von offenen Aufmerksamkeitsverschiebungen zu Gesichtern mit glücklichen, neutralen und wütenden Ausdrücken zu messen, wobei die Teilnehmer ihre Augen frei zu den Stimuli bewegen konnten. Die Sakkadenlatenzen in Richtung peripherer Gesichter unterschieden sich nicht in Abhängigkeit vom Ausdruck und die Amplituden und Latenzen der frühen neuronalen Reaktion (P1) waren unbeeinflusst. Allerdings war die später auftretende Early Posterior Negativity (EPN) bei emotionalen Gesichtern signifikant größer als bei neutralen Gesichtern. Diese Reaktion tritt nach Sakkaden in Richtung der Gesichter auf. Emotionsmodulationen traten also erst auf, nachdem bereits eine Blickverschiebung in Richtung des Stimulus vollzogen worden war. Die visuelle Auffälligkeit und nicht der emotionale Inhalt könnte daher die frühen Sakkaden steuern, während spätere Top-down-Prozesse die Emotionsverarbeitung widerspiegeln.
Literatur
Kulke, Louisa (2019). Neural Mechanisms of Overt Attention Shifts to Emotional Faces. Neuroscience, 418, 59-68.