Cees Nooteboom
Die Zuverlässigkeit einer Erinnerung ist ungewiss, da Menschen die Dinge nicht immer nur so erinnern, wie man etwa einen Film abspulen würde. Vielmehr erinnert man die Dinge so, wie man sie das letzte Mal erzählt hat. Denn immer, wenn man diese neu erzählt, wird die Erinnerung wieder neu abgespeichert und zwangsläufig verändert. Allerdings muss dieses Erzählen nicht zwangsläufig in Form eines Gesprächs mit einer anderen Person erfolgen, sondern das kann auch durch eine aktive Rekonstruktion einer Erinnerung geschehen.
Häufig haben Menschen Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Eine Großmutter sieht eine Situation anders als eine Mutter oder ein Freund. Die Dinge werden dann in ihrem Kontext unterschiedlich abgespeichert. Daher kann bei einem gemeinsamen Diskurs über ein konkretes Ereignis nichts als richtig oder falsch bezeichnet werden. Wenn man sich jedoch länger darüber unterhält, kann man sich darauf einigen, wie es wahrscheinlich abgelaufen ist. Dies ist möglich, wenn genügend Eckpunkte einer Lebenssituation abgespeichert wurden, um sie gemeinsam rekonstruieren zu können.