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Wie entsteht Kreativität im Gehirn?

    Das Gehirn eines kreativen Individuums vollbringt weit mehr, als nur die Hand zu führen, um ein Kunstwerk zu erschaffen. Es sind komplexe Prozesse des kreativen Denkens, die auf einer flexiblen Zusammenarbeit verschiedener neuronaler Netzwerke basieren. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass kreatives Denken nicht nur spontane Ideen erfordert, sondern auch gezielte Kontrolle – und diese beiden Aspekte müssen sich abwechseln. Kreativität umfasst also weitaus mehr als nur die Fähigkeit zu malen oder zu dichten. Es erfordert eine flexible und ausgewogene Interaktion zwischen verschiedenen Gehirnnetzwerken. Eine aktuelle Metaanalyse, die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)-Daten aus fünf Ländern auswertete, beleuchtet diesen Zusammenhang und wurde im Fachjournal Communications Biology veröffentlicht (Chen et al., 2024).

    Ob ein expressionistischer Maler, der seine Emotionen durch einzigartige Pinselstriche ausdrückt, oder eine Ingenieurin, die neue Lösungen zur Energiegewinnung entwickelt – beide teilen die Fähigkeit, innovative Ideen zu generieren. Diese Fähigkeit ist eine grundlegende Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt.

    Kreatives Denken wird durch zwei zentrale neuronale Netzwerke im Gehirn unterstützt. Das sogenannte Default Mode Network (DMN), auch als Ruhezustandsnetzwerk bekannt, umfasst verschiedene Hirnregionen, die insbesondere bei inneren Gedankenprozessen und Tagträumen aktiv sind. Im Gegensatz dazu wird das Exekutive Kontrollnetzwerk (ECN) aktiviert, wenn wir uns fokussieren und Aufgaben gezielt bearbeiten. Obwohl diese Netzwerke scheinbar gegensätzlich sind, arbeiten sie in kreativen Prozessen zusammen. So können spontan erzeugte Ideen auch kontrolliert und bewertet werden.

    Die dynamische und ausgewogene Zusammenarbeit dieser Netzwerke ist entscheidend für kreative Prozesse. Ein internationales Forschungsteam, angeführt von Qunlin Chen von der Southwest University in China und Yoed N. Kenett vom Technion Institute of Technology in Israel, untersuchte mithilfe von fMRT-Aufnahmen von rund 2500 Versuchspersonen aus Österreich, Kanada, China, Japan und den USA, wie diese Netzwerke bei besonders kreativen Individuen zusammenwirken. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass besonders kreative Menschen im Ruhezustand häufig zwischen kooperativen und separaten Aktivitäten der beiden Netzwerke wechseln. Diese Flexibilität ist entscheidend – sowohl eine zu starke als auch eine zu geringe Interaktion der Netzwerke behindern kreatives Denken.

    In einer ergänzenden Folgestudie fanden die Forscher heraus, dass kreative Aufgaben während der fMRT-Scans durch häufigere Wechsel zwischen den Netzwerkzuständen gekennzeichnet waren (Chen et al., 2024). Die Wissenschaftler vermuten daher, dass das Training unserer kreativen Fähigkeiten möglicherweise auch die Dynamik und Effizienz unseres Gehirns im Ruhezustand verbessert. Es ist jedoch anzumerken, dass Kreativität von einer Vielzahl anderer Faktoren beeinflusst wird, wie etwa Persönlichkeit, Neugier und Aufmerksamkeit.

    Literatur

    Chen, Q., Kenett, Y. N., et al. (2024). Dynamic and balanced network interaction in creative thinking: Insights from fMRI studies across five countries. Communications Biology, 7, 112–124.