Das Sprachverstehen in lauten, vielstimmigen Situationen stellt für Menschen eine große Herausforderung dar. Alavash, Tune & Obleser (2018) entwickelten und überprüften die Hypothese, dass während herausfordernder Hörsituationen intrinsische Hirnnetzwerke rekonfiguriert werden, um sich an die Höranforderungen anzupassen und somit erfolgreiches Hören zu ermöglichen. Man fand heraus, dass Netzwerke des hörenden Gehirns im Vergleich zu einem aufgabenfreien Ruhezustand eine höhere Segregation von temporalen auditorischen, ventralen Aufmerksamkeits- und frontalen Kontrollregionen aufweisen, von denen bekannt ist, dass sie an der Sprachverarbeitung, der Klanglokalisation und dem anstrengenden Hören beteiligt sind.
Eine erfolgreiche Verhaltensanpassung an eine Hörherausforderung erfordert oft ein stärkeres Engagement der auditiven räumlichen Aufmerksamkeit und kontextabhängige semantische Vorhersagen. Menschliche Hörer unterscheiden sich erheblich in dem Grad, in dem sie sich verhaltensmäßig anpassen und unter solchen Umständen erfolgreich zuhören können. Wie kortikale Netzwerke diese Anpassung, insbesondere auf individueller Ebene, verkörpern, ist derzeit unbekannt. Alavash, Tune & Obleser (2018) erklären diese Anpassung aus der Rekonfiguration von Hirnnetzwerken für eine anspruchsvolle Höraufgabe (d.h. eine linguistische Variante des Posner-Paradigmas mit gleichzeitiger Sprache) in einer altersvariablen Stichprobe von knapp fünfzig gesunden Erwachsenen, die sich einer Ruhezustands- und Aufgaben-FMRT unterzogen. Sie liefern damit Beweise für die Hypothese, dass erfolgreichere Hörer eine stärkere aufgabenspezifische Rekonfiguration und damit eine bessere Anpassung der Gehirnnetzwerke aufweisen. Von der Ruhe zur Aufgabe rekonfigurieren sich die Gehirnnetzwerke in Richtung einer stärker lokalisierten kortikalen Verarbeitung, die durch eine höhere topologische Segregation gekennzeichnet ist. Diese Rekonfiguration wird dominiert von der funktionellen Aufteilung eines auditorischen und eines cingulo-operculären Moduls und der Entstehung eines gemeinsamen auditorischen und ventralen Aufmerksamkeitsmoduls entlang der bilateralen mittleren und posterioren Temporalkortexe. Die Hypothese der ForscherInnen wird dadurch unterstützt, dass das Ausmaß, in dem die Modularität dieses frontotemporalen auditorischen Kontrollnetzwerks relativ zum Ruhezustand erhöht ist, den Hörerfolg von Individuen in Zuständen geteilter und selektiver Aufmerksamkeit vorhersagt. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie fein abgestimmte kortikale Kommunikationsdynamiken die Selektion und das Verstehen von Sprache beeinflussen, d. h. sie unterstreichen die Modularität des auditorischen Kontrollnetzwerks als ein zentrales Organisationsprinzip bei der kortikalen Implementierung der auditiven räumlichen Aufmerksamkeit in anspruchsvollen Hörsituationen.
Literatur
Alavash, M., Tune, S. & Obleser, J. (2018). Modular reconfiguration of an auditory-control brain network supports adaptive listening behavior. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:0.1073/pnas.1815321116.