Die Stimmen von Menschen können andere stark und unmittelbar beeindrucken, d. h., man nimmt wahr, ob dieser Mensch interessiert, freundlich, traurig, nervös klingt und ob er eine attraktive Stimme hat. Nicht zuletzt beginnen Menschen dann auch, Annahmen über Vertrauen und Dominanz des anderen Menschen zu treffen. Die bisherige Forschung über Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen von Menschen und ihren Stimmen hatte sich in erster Linie auf die Persönlichkeitsurteile anderer Menschen über die jeweilige Zielperson konzentriert, die auf den stimmlichen Merkmalen der Zielperson, insbesondere der Stimmlage, basieren. Es blieb jedoch unklar, ob individuelle Unterschiede in der Stimme mit tatsächlichen individuellen Unterschieden in den Persönlichkeitsmerkmalen verbunden sind, und ob stimmliche Merkmale tatsächlich valide Hinweise auf die Persönlichkeit geben können.
Stern et al. (2021) haben nun untersucht, wie die Persönlichkeitsmerkmale des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit, Soziosexualität (soziale Treue) und Dominanz mit gemessenen Grundfrequenzen (Stimmhöhe) und Formantenfrequenzen (Formantenposition) zusammenhängen. Als Formanten bezeichnet man in der Phonetik die Konzentration akustischer Energie in einem unveränderlichen Frequenzbereich, unabhängig von der Frequenz des erzeugten Grundtons.
Zu diesem Zweck haben die AutorInnen eine Sekundärdatenanalyse einer großen Stichprobe aus elf verschiedenen, unabhängigen Datensätzen durchgeführt, wobei die Ergebnisse auf substanzielle negative Zusammenhänge zwischen der Stimmlage und selbstberichteter Soziosexualität, Dominanz und Extraversion bei Männern und Frauen hindeuten. Somit könnte sich die Persönlichkeit zumindest teilweise in der Stimmlage ausdrücken.
Männer wie Frauen mit tieferen Stimmen sind in der Regel also dominanter und extravertierter, auch gaben diese häufiger an, an Gelegenheitsbeziehungen außerhalb einer romantischen Beziehung interessiert zu sein. Zusammenhänge zu den anderen Persönlichkeitsmerkmalen wie Umgänglichkeit, Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit oder Offenheit konnten nicht belegt werden. Möglicherwese gibt es einige zugrunde liegende biologische Mechanismen dieser Effekte.
Literatur
Stern, Julia, Schild, Christoph, Jones, Benedict C., DeBruine, Lisa M., Hahn, Amanda, Puts, David A., Zettler, Ingo, Kordsmeyer, Tobias L., Feinberg, David, Zamfir, Dan, Penke, Lars & Arslan, Ruben C. (2021). Do voices carry valid information about a speaker’s personality? Journal of Research in Personality, 92, doi:10.1016/j.jrp.2021.104092.