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Kinder dürfen und sollen Fehler machen

    Der Bildungsforscher Gerd Gigerenzer ist der Meinung, dass Kinder Fehler machen dürfen, denn Fehler haben oft etwas Gutes an sich. Dem Wort „Fehler“ haftet immer etwas Negatives an, aber es gibt auch „gute“ Fehler, die für das nachhaltige Lernen wichtig sind. Dieser Tatsache sollten wir uns bewusster werden,

    Der richtige Umgang mit einem Fehler ist entscheidend, denn wir sollten Fehler nicht als Dummheit sehen, sondern als Chance für Weiterentwicklung und Lernen. Denn so erkennen wir oft, wie etwas nicht funktioniert und wie wir es vielleicht besser oder anders machen können. Genau auf diese Weise entwickeln Kinder ihre Fähigkeiten. Eltern und Lehrer verhindern das aber oft, wenn wir ihnen beibringen, dass Fehler nicht gemacht werden dürfen. Fehler sollten also nie ungenutzt bleiben. Lehrerinnen und Lehrer unterrichten immer noch zu sehr nach dem Schema, den Kindern zu sagen, das ist richtig, das ist falsch, da gibt es genau eine Lösung. Das ist aber meist nicht der Fall. Wir geben ihnen mehr mit auf den Weg, wenn wir sagen: Seht her, hier ist ein Problem, ihr könnt jetzt Lösungen entwickeln. Auch in der Schule sollten wir mehr ein Forum schaffen, um Ideen zu produzieren, sie zu verteidigen und auch Argumente aufzugeben, wenn sie falsch sind.

    Erwachsene neigen aufgrund ihres großen Erfahrungsvorsprungs dazu, schnell zu „Besserwissern“ zu werden. Aber in Wahrheit verweigern wir den Kindern eine wichtige Erfahrung. Dass es manchmal mehrere Anläufe braucht, bis etwas gelingt, und dass ein Kind durchaus in der Lage ist, von sich aus auf die Lösung eines Problems zu kommen, auch wenn es länger dauert. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern einen Schritt zurücktreten und dem Kind eigene Erfahrungen zugestehen, auch Fehler und Frustrationen. Wenn das Kind dann selbst herausfindet, wie etwas funktioniert, ist die Freude umso größer, und der Lerneffekt noch größer. Indem wir unsere Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, erwerben sie wichtige Fähigkeiten. Eigene Wege durch Fehler zu finden und Lösungen zu erarbeiten, sind Fähigkeiten, die ihnen im späteren Leben immer zugute kommen werden.

    Dieses Gefühl, sich etwas trauen zu dürfen, ohne ständig durch kleine und kleinste Korrekturen vom eigenen Weg abgehalten zu werden, ist für Kinder sehr wertvoll. Es ist sicher auch einer der Gründe, warum sie die Geschichten von Abenteurern und Entdeckern so sehr lieben – weil sie sich trauen, ihrer instinktiven Neugier zu folgen, auch wenn dabei viel schief gehen kann. Und oft sind ihre eigenen Fehler dabei ein Helfer. Ohne sie wären sie oft gar nicht weitergekommen. Am Ende triumphiert dann der eigene Entdeckergeist, die Grundlage für lebenslanges Lernen.

    Nicht nur Kinder reifen, auch Mütter und Väter müssen sich weiterentwickeln, was das Vertrauen in ihre Kinder angeht. Schon früh sollten wir anfangen, in mancher Hinsicht mehr und mehr loszulassen. Wenn wir unsere Kinder zu sehr vor jeglichem Risiko schützen, werden die Kinder einen Preis dafür zahlen.

    Gerade in der Pubertät treffen junge Menschen schnell Entscheidungen, die vielleicht nicht besonders gut durchdacht sind. Aber das ist Teil des Lebens; schließlich waren wir alle schon einmal in diesem Alter. Der typische Leichtsinn in dieser Zeit führt oft dazu, dass Eltern ihren Kindern nicht so viel Verantwortungsbewusstsein zutrauen. Insgesamt trauen wir Kindern und Jugendlichen zu wenig zu. Wir sollten ihnen mit zunehmendem Alter mehr Verantwortung übertragen.

    Wir müssen lernen, den Wissensvorsprung, den wir als Erwachsene mit mehr Lebenserfahrung haben, hinter die lernenden und entdeckenden Kinder zu stellen und akzeptieren, dass sie „gute“ und „schlechte“ Fehler machen und so Erfahrungen sammeln. Natürlich sollte niemand in Lobeshymnen ausbrechen, wenn ein Kind darauf besteht, dass 2 + 2 = 5 ist, aber in diesem Moment kann man es auffordern, seine mathematische Entdeckung zu beweisen, z. B. aus 2 und 2 Äpfeln 5 Äpfel zu machen.

    Es gibt viele Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Unterricht bereits „fehlerfreundlich“ gestalten und ihre Schülerinnen und Schüler mehr auf eigene Faust probieren lassen. Sie nehmen Fehler auf und fragen sich, ob darin eine eigene Idee steckt. Wir Eltern können das Gleiche tun, indem wir auf die Fehler achten. Das erfordert Mut, denn auch eine „falsche“ Klettertechnik auf dem Spielplatz oder ungeschicktes Ausprobieren auf dem Fahrrad gehören dazu – der ganze Mensch lernt immer dazu. Aber das ist es wert. Denn die Zukunft braucht mutige Denker, die über den Tellerrand hinausschauen, und unsere Kinder brauchen echte Freude am Lernen.

    Literatur

    https://www.familie.de/kleinkind/entwicklung-erziehung/bildungsforscher-wir-muessen-kinder-mehr-fehler-machen-lassen/ (22-04-02)
    https://www.familie.de/kleinkind/bildungsforscher-wir-trauen-kindern-und-jugendlichen-zu-wenig-zu/ (22-04-02)