Zum Inhalt springen

Haben Tiere Emotionen wie Menschen?

    Der BR24-Newsletter „Darüber spricht Bayern“ berichtet im Mai 2021, dass Großbritannien gesetzlich verankern will, dass auch Wirbeltiere Gefühle haben. Der Umweltminister George Eustice sagte der Zeitung „Sunday Telegraph“, dass alle Lebewesen, die ein Rückenmark haben, auch ein Empfindungsvermögen besitzen. Dass auch Tiere Angst, Freude oder Ärger empfinden können, scheint offensichtlich zu sein, ist durch entsprechende Reaktionen in bestimmten Bereichen des Gehirns zu sehen, d. h., dass dort Emotionen ausgelöst werden. Sowohl bei Tieren als auch bei Menschen sind es Teile des limbischen Systems, einer Funktionseinheit des Gehirns, die mit der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen in Verbindung gebracht wird. Im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung bekam das Gehirn immer weitere Schichten, die morphologisch-anatomisch gegeneinander abgegrenzt sind: Bei niederen Tieren findet man lediglich ein zu einer Art „Gehirn“ geformtes verlängertes Rückenmark. Bei den niedrigsten Wirbeltieren hat dieses sich zum Stammhirn entwickelt, wobei diese Strukturen auch höhere Tiere besitzen. Schon in diesen stammesgeschichtlich sehr alten Hirnregionen findet man neben Teilen, die für die grundsätzlich lebenserhaltenden Funktionen zuständig sind, auch simple Verbindungen, um Gefährliches zu meiden oder Wichtiges zu erkennen, zum Beispiel Futter. Die Schichten, die auf diesen Stammhirn-Bereichen aufsetzen, können das Verhalten sehr fein steuern, denn dort wird eine Vielzahl von Hormonen produziert und Sinneseindrücke an andere Hirnregionen weitergeleitet, in denen sie verarbeitet werden. Im Gehirn sitzen rund um Thalamus, Hypothalamus und Hypophyse besonders viele Neuronen, die sich zu Kernbereichen zusammengeballt haben.

    Früher war man der Ansicht, dass nur Tiere mit Strukturen eines limbischen Systems Emotionen besitzen können, also auch Reptilien, doch zeigen auch Tiere ohne diese Strukturen Lernverhalten und verfügen über entsprechende morphologische Substrate wie Neurotransmitter, sodass man auch bei diesen von einem internen Belohnungssystem sprechen kann, denn sie weichen etwa schädigenden Signalen aus und suchen aus ihrer Sicht positive Situationen auf.

    In den 1960er Jahren wurden an Tieren Versuche mit Hirnreizungen unternommen, indem man feine Elektroden im limbischen System von Versuchstieren implantierte. Nach einer Reizung zum Beispiel der Amygdala konnte man die Reaktion der Tiere beobachten, über Analogie zum Menschen Schlüsse ziehen und so die Existenz bestimmter Emotionen nachweisen. Aktuell arbeiten die Forscher auch mit der Positronen-Emissions-Tomografie, um nichtinvasiv physiologische Vorgänge im Gehirn sichtbar zu machen.

    Mittlerweile geht man davon aus, dass Tiere zwischen Emotionen wie „Angst“ und entsprechenden Gegenspielern wie „Freude“ oder „Wohlgefühl“ unterscheiden können. Bei Gefühlsäußerungen wie Liebe oder Trauer scheiden sich die Geister, denn einige Forscher vertreten die Meinung, dies seien zutiefst menschliche Empfindungen, die keine Entsprechung im Tierreich hätten. Andere vermuten, dass diese Emotionen auch bei Tieren vorkämen, jedoch nicht eindeutig zu beweisen seien.

    Die Art und Weise aber, wie Tiere Emotionen äußern, variiert übrigens von Art zu Art. Bei Schweinen werden in positiven Situationen eher niederfrequente Vokalisationen erzeugt, während bei Grunzern höhere Frequenzen positive Situationen widerspiegeln. Bei Pferden könnten mehr Schnauben und kürzere, niederfrequente Wiehern mit positiven Situationen in Verbindung gebracht werden. Bei Kühen kommen Vokalisationen mit geschlossenem Maul mit niedrigerer Frequenz bei positiven Gefühlen häufiger vor. Futterrufe und schnelles Gackern können bei Hühnern mit positiven Emotionen in Verbindung gebracht werden. Bei Ziegen zeigt die Grundfrequenz in positiven Situationen weniger Schwankungen als in negativen (Laurijs et al., 2022).

    Die Unterscheidung und Wahrnehmung des Ausdrucks von Emotionen regelt die Interaktionen zwischen Artgenossen und kann zu emotionaler Ansteckung, also einer Zustandsanpassung zwischen Erzeuger und Empfänger, oder zu komplexeren Formen der Empathie wie mitfühlende Sorge führen. Empathieprozesse werden durch Vertrautheit und körperliche Ähnlichkeit zwischen den Partnern gefördert, doch können auch verschiedene Arten bis zu einem gewissen Grad miteinander vertraut sein, was sich in einer Unterscheidung bzw. Wahrnehmung von Emotionen und damit einer emotionalen Ansteckung auch zwischen Arten zeigt. Pferde und Schweine können einer neuen Studie von Maigrot et al. (2022) zufolge die menschliche Stimmlage deuten. Für die Untersuchung spielte man Aufnahmen von menschlichen Stimmen aus versteckten Lautsprechern ab. Es zeigte sich, dass die Tiere stärker auf eine negativ klingende Stimme reagierten, in der Regel auch schneller als wenn sie mit einer positiv klingenden Stimme angesprochen wurden. In bestimmten Situationen scheinen sie sogar die Emotionen, denen sie ausgesetzt sind, zu spiegeln, denn die Reaktionen der Tiere ließen darauf schließen, dass die Art, wie Menschen zu ihnen sprechen, einen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hatte. Wenn die Tiere mit einer freundlichen Stimme angesprochen wurden, waren sie deutlich ruhiger und entspannter.

    Literatur

    Laurijs, K. A., Briefer, E. F., Reimert, I., & Webb, L. E. (2021). Vocalisations in farm animals: A step towards positive welfare assessment. Applied Animal Behaviour Science, 236, 1-13.
    Maigrot, Anne-Laure, Hillmann, Edna & Briefer, Elodie F. (2022). Cross-species discrimination of vocal expression of emotional valence by Equidae and Suidae. BMC Biology, 20, doi:10.1186/s12915-022-01311-5.
    Stangl, W. (2022, 30. Mai). Wie Tiere Emotionen aus der Stimme herauslesen können. arbeitsblätter news.
    https:// arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/wie-tiere-emotionen-aus-der-stimme-herauslesen-koennen/
    https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/auch-wirbeltiere-haben-gefuehle-jetzt-per-gesetz (21-05-11)
    https://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/archiv/2008_01/08_01_puppe/index.html (08-06-12)