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Verstehen, Wissen und Weisheit

    Das Verstehen wird oft als wertvoller angesehen als bloßes Wissen, da es das Erfassen von Abhängigkeitsbeziehungen beinhaltet. Es gibt zwei Haupttypen des Verstehens: explanatorisches Verstehen (warum etwas der Fall ist) und objektuales Verstehen (Verstehen eines ganzen Bereichs oder Systems). Es ist umstritten, ob diese Typen aufeinander reduziert werden können. Man kann nämlich wissen, ohne zu verstehen. Beispielsweise kann jemand wissen, warum die globale Temperatur ansteigt, ohne die zugrunde liegenden Mechanismen wirklich zu erfassen. Dieses Erfassen von Abhängigkeitsbeziehungen wird unterschiedlich erklärt: entweder durch das Verständnis eines Kausalmechanismus oder durch bestimmte Fähigkeiten, wie die Fähigkeit, kontrafaktische Szenarien zu antizipieren oder Erklärungen in eigenen Worten wiederzugeben. Diese Fähigkeiten sind jedoch Gegenstand der Debatte, insbesondere ob sie für alle Formen des Verstehens notwendig sind oder ob sie zu anspruchsvoll sind. Obwohl Verstehen oft als eine Form von Wissen betrachtet wird, gibt es Argumente dafür, dass es sich davon unterscheidet. Insbesondere wird diskutiert, ob Verstehen Faktivität (Wahrheit), Glücksinempfindlichkeit oder Rechtfertigung erfordert, wie es beim Wissen der Fall ist. So scheint es, dass Verstehen auch bei Vorhandensein einiger Falschheiten (z.B. bei idealisierten Modellen) oder bei epistemischem Glück möglich ist. Auch die Notwendigkeit einer Rechtfertigung wird für das Verstehen infrage gestellt. Dies führt zu der Überlegung, Verstehen eher als ein graduelles Konzept mit verschiedenen evaluativen Kriterien zu betrachten.

    Weisheit unterscheidet sich von Wissen und Verstehen dadurch, dass sie eine Eigenschaft einer Person ist und nicht nur eine Beziehung zu einem Objekt. Sie beinhaltet jedoch Wissen oder Verstehen. Man unterscheidet zwischen theoretischer Weisheit (bezogen auf unveränderliche, bedeutsame Dinge) und praktischer Weisheit (bezogen auf das gute Leben und wie man es erreicht). Aristoteles unterschied theoretische Weisheit (sophia) als Verstandestugend, die sich auf Notwendiges und Unveränderliches bezieht, und praktische Weisheit (phronêsis) als die Fähigkeit, das Gute für das gesamte Leben abzuwägen. Moderne Konzeptionen der Weisheit erweitern dies. Theoretische Weisheit könnte ein tiefes explanatorisches Verständnis eines epistemisch bedeutsamen Bereichs umfassen. Praktische Weisheit beinhaltet das Wissen, was ein gutes Leben ausmacht und wie es zu erreichen ist, oft ergänzt durch die Bereitschaft, danach zu handeln.

    Es ist aber umstritten, ob theoretische und praktische Weisheit zwei separate Arten von Weisheit sind oder ob sie Aspekte einer umfassenderen Weisheit darstellen, wobei praktische Weisheit oft als die Kernbedeutung von Weisheit angesehen wird. Viele paradigmatische weise Personen (wie Jesus oder Konfuzius) werden primär aufgrund ihrer praktischen Weisheit und moralischen Exzellenz bewundert.