Viele Menschen, die in der modernen Gesellschaft leben, haben das Gefühl, nicht genug Zeit zu haben und sind ständig auf der Suche nach mehr. Aber ist es tatsächlich schädlich, wenn man nur wenig Zeit zur freien Verfügung hat? Und kann es Nachteile haben, wenn man zu viel freie Zeit hat? In zwei groß angelegten amerikanischen Datensätzen und zwei Experimenten untersuchten Sharif et al. (2021) den Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an freier Zeit, die Einzelpersonen zur Verfügung steht, und ihrem subjektiven Wohlbefinden. Es zeigte sich eine negative quadratische Beziehung zwischen freier Zeit und subjektivem Wohlbefinden, d. h., dass zu wenig Zeit tatsächlich mit einem geringeren subjektiven Wohlbefinden aufgrund von Stress verbunden ist, während mehr Zeit nicht kontinuierlich zu einem höheren subjektiven Wohlbefinden führt. Ein Übermaß an freier Zeit ist manchmal sogar mit einem geringeren subjektiven Wohlbefinden verbunden, weil es an einem Gefühl der Produktivität mangelt. In solchen Fällen kann die negative Auswirkung von zu viel verfügbarer Zeit abgeschwächt werden, wenn die Menschen diese Zeit für produktive Aktivitäten nutzen. Dies bestätigt ältere Studien, bei denen man Probanden neben ihren täglichen Aktivitäten nach ihrer Lebenszufriedenheit befragt hatte, denn auch hier zeigte sich eine glockenförmige Kurve, d. h., die Zufriedenheit stiegen mit der frei verfügbaren Zeit an, aber eben nur bis zu einem gewissen Punkt. Letztlich ist Muße für die Menschen sehr wichtig, doch wenn man den ganzen Tag nach eigenem Ermessen füllen muss, ist man in manchen Fällen auch nicht glücklich.
Literatur
Sharif, M. A., Mogilner, C. & Hershfield, H. E. (2021). Having too little or too much time is linked to lower subjective well-being. Journal of Personality and Social Psychology, doi:10.1037/pspp0000391.