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Was sind SuperAger?

    In einer Zeit, in der Demenz und geistiger Abbau als nahezu unvermeidliche Begleiter des Alters gelten, wirken die sogenannten SuperAger wie biologische Ausreißer. Menschen, die über 80 Jahre alt sind und dennoch ein Gedächtnis besitzen, das mit dem von 50-Jährigen vergleichbar ist. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass diese außergewöhnliche Gruppe der kognitiven Erosion trotzt – ihre Gehirne widerstehen der Bildung von Alzheimer-typischen Plaques und Verwicklungen, die gewöhnlich zu Gedächtnisverlust führen. Doch was bedeutet das aus psychologischer Sicht, und was sagt es über unser Verständnis von Altern und Resilienz?

    Psychologisch betrachtet fordern SuperAger eine grundlegende Revision des Altersbildes heraus. Altern wird häufig als lineare Degeneration gedacht – körperlich, geistig, sozial. Doch diese Menschen zeigen, dass geistige Vitalität kein Zufallsprodukt ist, sondern möglicherweise Ergebnis einer komplexen Interaktion von Persönlichkeit, Lebensstil und neuronaler Plastizität. Forscher der Northwestern Medicine, die seit über zwei Jahrzehnten an diesem Phänomen arbeiten, betonen, dass SuperAger nicht nur biologisch, sondern auch psychologisch besonders sind. Sie zeigen eine hohe emotionale Stabilität, bleiben neugierig, sozial engagiert und motiviert – Eigenschaften, die bekanntermaßen den kognitiven Abbau verlangsamen können.

    Ihre Gehirne unterscheiden sich messbar: Die Hirnrinde bleibt stabil, der anteriore cinguläre Cortex – eine Region, die mit Motivation, Entscheidungsfindung und emotionaler Regulation verbunden ist – ist sogar dicker als bei Jüngeren. Hinzu kommt eine erhöhte Dichte an von Economo-Neuronen, die für soziales Verhalten relevant sind, und größere entorhinale Neuronen, die zentrale Funktionen im Gedächtnisprozess erfüllen. Doch die psychologische Perspektive mahnt zur Vorsicht: Diese Befunde erklären nicht das „Warum“, sondern nur das „Wie“. Die Gefahr liegt darin, das Konzept des SuperAgers als Ideal oder Leistungsnorm zu deuten. Denn damit droht eine Pathologisierung des normalen Alterns – als ob nur diejenigen „richtig“ altern, die jung geblieben sind.

    Das Phänomen der SuperAger öffnet also zwei Perspektiven zugleich: eine neurobiologische Hoffnung und eine psychologische Herausforderung. Einerseits zeigen diese Menschen, dass das Gehirn über bemerkenswerte Resilienz verfügt und dass Altern kein Schicksal, sondern ein dynamischer Prozess ist. Andererseits erinnert ihr Beispiel daran, dass kognitive Gesundheit nicht nur im Gehirn entsteht, sondern in Beziehungen, Motivation, Sinn und Lebensfreude wurzelt. Die Forschung – zuletzt veröffentlicht in Alzheimer’s & Dementia – liefert damit weniger ein Rezept für ewige Jugend, als vielmehr einen Anstoß, das Altern selbst neu zu denken: nicht als Verfall, sondern als Möglichkeit, weiter zu wachsen – gegen jede Wahrscheinlichkeit.

    Literatur

    Stangl, W. (2020, 20. Oktober). Was sind SuperAger? – Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4335/was-sind-superager.
    Stangl, W. (2020, 20. Oktober). Superager – Super-Ager – SuperAger.
    https:// lexikon.stangl.eu/36316/superager.