Vorbemerkung: Der Begriff „normal” bezeichnet das Erfüllen der allgemein anerkannten und als verbindlich geltenden Regeln und Erwartungen für das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Das Abweichen von diesen Normen kann dazu führen, dass andere sich abwenden oder die betreffende Person zurechtweisen. Dabei wird jedoch oft auch als normal angesehen, mit genau diesen Erwartungen zu brechen. Ein Beispiel hierfür ist das Lügen aus einer Notlage heraus oder das Überschreiten gesellschaftlicher Konventionen bei einer Feierlichkeit. In der Regel wird als „normal“ bezeichnet, was in die jeweilige Gesellschaft passt, der Mehrheit entspricht, erwartbar ist und keinen Stress verursacht.
Der Begriff „normales“ Kind ist komplex und kann in verschiedenen Kontexten unterschiedlich verstanden werden. In der Regel bezieht sich ein „normales“ Kind auf eines, das den durchschnittlichen oder typischen Entwicklungsmeilensteinen und Verhaltensmustern entspricht, wie sie von Pädagogen, Psychologen und Kinderärzten festgelegt wurden. Es ist wichtig zu betonen, dass jede Definition von „Normalität“ stark von kulturellen, sozialen und individuellen Faktoren beeinflusst wird.
Hier sind einige Aspekte, die bei der Beschreibung eines „normalen“ Kindes oft berücksichtigt werden:
Entwicklungsmeilensteine:
- Physisch: Größe, Gewicht, motorische Fähigkeiten (wie Krabbeln, Laufen, Greifen).
- Kognitiv: Sprachentwicklung, Problemlösungsfähigkeiten, Gedächtnis.
- Emotional und Sozial: Bindungsverhalten, Interaktion mit Gleichaltrigen, emotionale Regulation.
Verhaltensnormen:
- Anpassung an die Umgebung (z.B. Schule, Familie).
- Fähigkeit, altersgerechte soziale Regeln und Normen zu verstehen und zu befolgen.
Gesundheit:
- Allgemeiner Gesundheitszustand und Entwicklung im Vergleich zu altersgleichen Kindern.
- Keine signifikanten physischen oder psychischen Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen.
Lernfähigkeit:
- Durchschnittliche schulische Leistungen.
- Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.
Kulturelle und individuelle Unterschiede:
- Was in einer Kultur als „normal“ gilt, kann in einer anderen Kultur abweichen.
- Individuelle Unterschiede sind normal und variieren stark von Kind zu Kind.
Es ist wichtig zu erkennen, dass der Begriff „normal“ problematisch sein kann, da er implizieren kann, dass Kinder, die nicht in diese Kategorie fallen, „nicht normal“ oder „abweichend“ sind. Dies kann stigmatisierend und wenig hilfreich sein, insbesondere für Kinder mit besonderen Bedürfnissen oder Entwicklungsstörungen. Ein „normales“ Kind ist schwer eindeutig zu definieren, da es von vielen Faktoren abhängt. Stattdessen ist es oft hilfreicher, Kinder in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen und zu fördern, anstatt sie strikt nach einer Norm zu beurteilen.
Anmerkung: Bei einem Fachtag in Puchheim diskutierten 2024 Experten intensiv über das Konzept des „normalen“ Kindes und die gesellschaftliche Definition von Normalität diskutiert. Die Professorin Sabine Seichter hob hervor, dass einige pädagogische Ansätze darauf abzielen, Kinder lediglich für gesellschaftliche und ökonomische Zwecke anzupassen. Sie kritisierte, dass in der institutionellen Erziehung vorrangig „normales“ Verhalten gefördert und Abweichungen unterdrückt werden.
Weitere Diskussionsteilnehmer, wie Dietmar König vom Jugendamt und Karen Adomeit von Sprint, einem Sozialverein, betonten die gesellschaftspolitische Verantwortung der Pädagogik und die Wichtigkeit, menschlich zu bleiben. Es wurde darauf hingewiesen, dass Normalität sowohl schützen als auch einschränken kann, da es zu Ausgrenzung und Gewalt gegen Individuen führen kann, die nicht in die Norm passen. Die Individualität eines jeden Menschen wurde als zentraler Aspekt betont.
Kritik wurde auch an Schulen geübt, die eher auf Probleme reagieren anstatt proaktiv zu handeln, aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln und einer zu starken Betonung von Psychologie und Theorie anstatt von Ethik. Die Notwendigkeit einer humaneren und individuelleren Pädagogik wurde hervorgehoben, um sicherzustellen, dass das Wohlergehen aller Kinder im Vordergrund steht, unabhängig von ihrer Konformität zur Norm. Es wurde angeregt, dass Schulen sich an die Bedürfnisse der Kinder anpassen sollten, um jedem Kind eine positive Lernumgebung zu bieten.