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Vom Sinn und Unsinn der PISA-Studie

    Ausgehend von PISA 2012 setzte in Deutschland ein stabiler Aufwärtstrend ein, doch es ist keineswegs ausgemacht, dass die Schülerinnen und Schüler heute wirklich besser lesen, schreiben und rechnen als noch vor zwei Jahrzehnten. Eher werden sie den PISA-Anforderungen besser gerecht, indem sie die Testroutinen, überwiegend nach dem Multiple-Choice-Verfahren, besser bewältigen, denn auch Häkchen setzen muss gelernt sein. Es ist inzwischen gängige Praxis, die Systematik im Vorfeld der Tests in den fraglichen Klassen einzuüben, denn welcher Schulleiter blamiert sich schon gerne? Nicht zufällig überragen bei PISA vielfach Kandidaten aus Asien, deren Lehrpläne auf Abschlusstests in wenigen Fächern ausgerichtet sind, alle anderen. Außerdem spielt in Fernost private Nachhilfe eine deutlich größere Rolle als anderswo und bestimmt maßgeblich über den persönlichen Schulerfolg, d. h., Schulleistung hängt zu einem nicht unerheblichen Grad von außerschulischer Unterstützung ab.

    Trotzdem maßen sich die PISA-Verantwortlichen an, Schulsysteme im globalen Maßstab vermessen und vergleichen zu können mit dem Anspruch, sie so qualitativ voranzubringen. Dabei ist die Methodik ziemlich simpel, was man schon an der Beschränkung auf lediglich drei Indikatoren erkennt, denn anhand von Lesen, Rechnen und den Kenntnissen in Naturwissenschaften auf die Gesamtqualität eines Schulsystems zu schließen, zeugt von einem hohen Maß an Engstirnig- und Überheblichkeit. Wo bleiben soziale und ethische Kompetenzen, warum werden keine musikalischen, politischen Fertigkeiten oder solche in Geographie und Fremdsprachen in die Wertung aufgenommen? Nicht nur bleibt der Großteil der Lehrpläne unberücksichtigt, auch der Erziehungsauftrag der Schulen bleibt außen vor. Faktisch werden große und wesentliche Bereiche des schulischen Lebens von Heranwachsenden komplett ausgeblendet.

    Besonders absurd ist das Nationenranking, das alle drei Jahre die Gemüter erregt, denn dabei kommt es wiederholt zu Verzerrungen der Ergebnisse, weil die für die Länder erforderliche Teilnehmerquote unterschritten beziehungsweise falsch erfasst wurde. Österreich zum Beispiel musste deshalb für die 2000er-Auswertung erst Jahre später um mehrere Plätze zurückgestuft werden, und die USA hätten 2009 bei korrekter Bewertung zehn oder mehr Ränge weiter oben rangiert. Statt dessen triumphierte seinerzeit Shanghai, obwohl die Metropole als Repräsentant für China die zu meisternde Hürde klar gerissen hatte, denn tatsächlich waren Kinder von Millionen Wanderarbeitern einfach übergangen worden, weil sie die höheren Schulen, an denen PISA stattfand, gar nicht besuchen dürfen.

    Besonders fraglich ist an den PISA-Ergebnissen, dass damit die Einschulung von Fünfjährigen, die Verkürzung des Abiturs, die Intensivierung der Kindergartenbildung imd die Einführung der Zentralmatura begründet worden ist. Wissenschaftlich lässt sich nichts davon aus PISA-Daten herleiten. Das Hauptproblem mit PISA ist, dass die empirische Bildungsforschung die Bildungsdebatte okkupiert hat, d. h., es ist normal geworden, dass irgendwelche Tests zusammengeschustert werden und dass dann damit beliebige Aussagen produziert werden.

    Siehe dazu Stoppt PISA – ein Brief an die OECD ParisPISA – die wahren Ursachen guter und schlechter Ergebnisse.

    Literatur

    Wurzbacher, R. (2022). Am Gängelband von PISA. junge welt vom 25. Juni, S. 13.