Die Entwicklung von Technologien zum Schutz oder zur Verbesserung des Gedächtnisses bei älteren Menschen ist ein dauerhaftes Ziel der einschlägigen Forschung. Grover et al. (2022) haben jüngst versucht, mit transkranieller Wechselstromstimulation zu einer selektiven, nachhaltigen Verbesserung des auditiv-verbalen Arbeitsgedächtnisses und des Langzeitgedächtnisses bei 65-88-jährigen Menschen beizutragen. Bekanntlich sind Kurz- und Langzeitgedächtnis mit verschiedenen Arten von Hirnwellen verknüpft, denn so sind Thetawellen mit einer Frequenz von vier bis acht Hertz mit dem Kurzzeitgedächtnis assoziiert, während höherfrequente Gammawellen oberhalb von dreißig Hertz hingegen mit dem Langzeitgedächtnis zusammenhängen. Bei den Versuchen an mehreren Tagen hintereinander hörten die Probanden jeweils Wörter, die sie anschließend wiederholen mussten.
Es zeigte sich dabei. dass die Modulation der synchronen niederfrequenten, aber nicht der hochfrequenten Aktivität im parietalen Cortex vorzugsweise das Arbeitsgedächtnis an Tag drei und Tag vier sowie einen Monat nach der Intervention verbesserte, während die Modulation der synchronen hochfrequenten, aber nicht der niederfrequenten Aktivität im präfrontalen Cortex vorzugsweise das Langzeitgedächtnis an den Tagen zwei bis vier und einen Monat nach der Intervention verbesserte. Die Geschwindigkeit der Gedächtnisverbesserungen über vier Tage sagte dabei auch das Ausmaß der Gedächtnisvorteile einen Monat später voraus. Bei Menschen mit geringerer kognitiver Ausgangsfunktion waren dabei die Verbesserungen des Gedächtnisses größer und dauerhafter. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Plastizität des alternden Gehirns selektiv und nachhaltig durch repetitive und hoch fokussierte Neuromodulation genutzt werden kann, die auf räumlich-spektralen Parametern der gedächtnisspezifischen cortikalen Schaltkreise beruht.
Anmerkung: Es gibt zu dieser Thematik zahlreiche übertrieben positive Schlagzeilen, wobei vor allem Berichte in populärwissenschaftlichen Zeitschriften ein zu optimistisches Bild der verschiedenen Methoden der Neurostimulation zeichnen, wobei nur wenige auch die damit verbundenen Risiken betonen. Nach Ansicht von Kritikern kommt es dabei zu einem exzessiven Abstützen auf Einzelfallberichte, obwohl man vermuten darf, dass viele Berichte zu diesen Versuchen gar nie veröffentlicht werden, weil sie nicht das erhoffte Resultat erbracht haben. Solches Underreporting führt zu einer verzerrten Einschätzung der Möglichkeiten der Neurostimulation und kann betroffenen Menschen und deren Angehörigen schaden, die ihre ganze Hoffnung in solche Forschungen setzen. Auch bleiben wesentliche Fragen etwa nach der Lebensqualität oder nach möglichen unerwünschten Persönlichkeitsveränderungen durch die Hirnstimulation meist unerwähnt.
Literatur
Grover, Shrey, Wen, Wen, Viswanathan, Vighnesh, Gill, Christopher T. & Reinhart, Robert M. G. (2022). Long-lasting, dissociable improvements in working memory and long-term memory in older adults with repetitive neuromodulation. Nature Neuroscience, doi:10.1038/s41593-022-01132-3.