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Therapy Speak im Alltag

    Der Begriff „Therapy Speak“ oder „Therapie-Sprache“ bezeichnet eine spezielle Art der Kommunikation, die in hohem Maße von psychotherapeutischen Konzepten und der Selbsthilfekultur geprägt ist. Therapy Speak bezeichnet im Wesentlichen eine Art von Sprache, die in einem (psycho-)therapeutischen Umfeld zur effizienten und selbstbewussten Kommunikation verwendet wird. Diese spezifische Sprechweise hat in den vergangenen Jahren, insbesondere infolge des Einflusses sozialer Medien sowie der Popularisierung psychologischer Inhalte, zunehmend an Bedeutung und Verbreitung gewonnen. Ein wesentliches Merkmal von Therapy Speak ist der verbreitete Gebrauch psychologischer Fachbegriffe und Konzepte im alltäglichen Sprachgebrauch, wie zum Beispiel „Triggern“, „Trauma“, „Grenzen setzen“, „Narzissmus“ oder „toxische Beziehungen“. Begriffe wie „Gaslighting“, „Self-Care“ oder „Trauma“ sind wichtige Vokabeln in der psychischen Beratung. Laut dem britischen „Counselling-Directory“ haben sie jedoch durch den Mental-Health-Trend Einzug in die alltäglichen Konversationen erhalten. In den letzten Jahren ist das Thema psychische Gesundheit immer mehr in den Mainstream gerückt, vor allem durch die Pandemie und die dadurch ausgelöste Welle an mentaler Belastung.

    Die Verwendung dieser Therapy-Sprache ist gekennzeichnet durch einen besonderen Fokus auf die Artikulation von Gefühlen, intensive Selbstreflexion und die Betonung persönlichen Wachstums. Ich-Botschaften, affirmative Aussagen sowie ein offener Umgang mit Themen rund um die mentale Gesundheit in alltäglichen Gesprächen sind charakteristisch für diesen Kommunikationsstil.

    Einerseits trägt Therapy Speak dazu bei, Tabus rund um psychische Gesundheit abzubauen und mehr Offenheit in diesem Bereich zu schaffen. Andererseits wird diese Sprechweise jedoch auch kritisch hinterfragt, da sie mitunter als oberflächlich oder übermäßig selbstbezogen empfunden werden kann. Nachteilig wird es jedoch auch, wenn einzelne Menschen dadurch relativierende Aussagen über echte Diagnosen treffen, über echte Krankheiten, mit denen echte Menschen leben müssen.

    Es ist wichtig zu verstehen, dass die Verwendung von Therapy Speak nicht gleichbedeutend mit professioneller psychologischer Beratung ist, sondern vielmehr eine Übernahme therapeutischer Sprache und Konzepte in den Alltag darstellt. Diese Art zu kommunizieren kann zwar einerseits das Bewusstsein für mentale Gesundheit schärfen und zur Selbstreflexion anregen, andererseits besteht die Gefahr, dass das psychotherapeutische Vokabular in unpassenden Kontexten und mit falschen Bedeutungen verwendet wird, was zu einer Abwertung des ursprünglichen Konzepts führen kann.

    Die wiederholte Thematisierung von Triggern, Traumata und Gaslighting in einem Kontext, in dem keine dieser Erfahrungen vorliegt, kann dazu führen, dass psychische Erkrankungen bagatellisiert werden. Es ist zu konstatieren, dass nicht jeder Mensch ein Trauma erfährt, nicht jeder mit Triggern umgehen muss (was durchaus als Privileg zu werten ist) und nicht jedes Arschlochverhalten als Gaslighting bezeichnet werden kann. Mit der Konsequenz, dass jeder Mensch plötzlich unter Traumata und Triggern leidet, wird Menschen, die von diesen Phänomenen tatsächlich betroffen sind, ihre Erfahrung abgesprochen. Diese werden zu geringfügigen Alltagsproblemen bagatellisiert, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht. Gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 2017 sind statistisch gesehen 16 Prozent der deutschen Bevölkerung von Traumata betroffen. Es ist jedoch anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt. Für einen Großteil der Bevölkerung sind Traumata jedoch keine relevante Erfahrung. Dies ist jedoch eine andere Form der Beeinträchtigung als die, welche in der Psychotherapie als Traumata bezeichnet wird. In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Begriffe zunehmend synonym verwendet, was dazu führt, dass ihre Bedeutung verwässert wird.