Zum Inhalt springen

Das menschliche Gehirn zwischen Neurodiversität und neurotypischen Standards

    Der Begriff Neurodiversität beschreibt die natürliche Vielfalt menschlicher Gehirne und verdeutlicht, dass die Gehirnfunktionen von Menschen im Autismus-Spektrum, mit ADHS oder Epilepsie nicht als Abweichungen, sondern als Varianten der menschlichen Neurologie betrachtet werden sollten. Wissenschaftlich belegt ist, dass kein Gehirn dem anderen gleicht, ähnlich wie keine Schneeflocke der anderen. Diese neurologische Vielfalt kann man einerseits als Chance sehen, bringt aber auch Herausforderungen mit sich, denn Menschen, deren Nervensystem außerhalb gängiger Normen funktioniert (neurodivergente Personen) können Probleme haben, sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden, die von neurotypischen Standards geprägt ist. Dies kann zu Ausgrenzung und ungleichen Bildungschancen führen. Um Chancengleichheit zu schaffen, ist daher ein Nachteilsausgleich essenziell.

    Die zunehmende Präsenz des Themas Neurodiversität steht teilweise im Zusammenhang mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz, denn in einer Zeit, in der diese das Wissensmonopol bricht und den Menschen repetitive Aufgaben abnimmt, verschiebt sich die Bedeutung von reiner Intelligenz. Studien zeigen, dass die Selbsteinschätzung – also das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und Grenzen – für den Bildungserfolg wichtiger ist als kognitive Intelligenz. Diese Erkenntnis hat die Rolle von Bildungseinrichtungen verändert, denn sie können keine reinen Wissensvermittler mehr sein, sondern müssen einen Ort schaffen, an dem Menschen lernen, sich selbst zu verstehen und ihre individuellen Stärken einzusetzen.

    Ein neuro-inklusives Bildungssystem ist daher unerlässlich, das sich besser auf die Bedürfnisse neurodivergenter Menschen einstellen und geeignete Nachteilsausgleiche anbieten kann. Es gibt Schätzungen, dass etwa jeder siebte Mensch neurodivergent ist, doch das Bewusstsein dafür und die entsprechende Unterstützung in Bildungseinrichtungen sind oft noch unzureichend. Der Wert von neurodivergenten Menschen in einer von künstlicher Intelligenz geprägten Gesellschaft liegt in ihrer besonderen Aufmerksamkeits- und Betrachtungsweise, die neue Perspektiven eröffnet. Es geht daher nicht darum, dass sie weniger intelligent sind, sondern darum, dass sie häufig keinen barrierefreien Zugang zu standardisierten Tests haben. Die Entwicklung hin zu einer Gesellschaft, die die neurologische Vielfalt wertschätzt, ist ein wichtiger Schritt, der durch das digitale Zeitalter beschleunigt wird.