Die zweibeinige Fortbewegung ist eine der wichtigsten Anpassungen, die die Hominin-Gruppe kennzeichnen. Belege für Zweibeinigkeit sind aus postkranialen Überresten von Homininen des späten Miozäns bekannt, die in Ostafrika gefunden wurden. Die Zweibeinigkeit von Sahelanthropus tchadensis wurde bisher anhand von Schädeln aus Zentralafrika (Tschad) vor etwa 7 Mio. Jahren vermutet. Daver et al. (2022) fanden jüngst postkraniale Belege für das Fortbewegungsverhalten von Sahelanthropus tchadensis, die neue Erkenntnisse über die Zweibeinigkeit in der frühen Phase der Evolutionsgeschichte der Homininen liefern. Das Originalmaterial wurde an einer Fundstelle im Toros-Ménalla-Fossilgebiet entdeckt und besteht aus einem linken Oberschenkelknochen und zwei Ellen, rechts und links. Die Morphologie des Oberschenkelknochens lässt sich am ehesten mit der gewohnheitsmäßigen Zweibeinigkeit vereinbaren, und die Ellen sind ein Beweis für ein ausgeprägtes Baumkletterverhalten. Sahelanthropus hatte demnach die richtigen anatomischen Eigenschaften, um als frühster Vertreter der menschlichen Abstammungslinie zu gelten. Zusammengenommen deuten die Befunde darauf hin, dass der aufrechte Gang in der Evolution bereits kurz nachdem sich die Abstammungslinien von Mensch und Schimpanse getrennt hatten, entstanden sein dürfte, aber auch, dass das Klettern in Bäumen wahrscheinlich noch ein wichtiger Teil ihres Fortbewegungsrepertoires war.
Literatur
Daver, G., Guy, F., Mackaye, H. T., Likius, A., Boisserie, J. -R., Moussa, A., Pallas, L., Vignaud, P. & Clarisse, N. D. (2022). Postcranial evidence of late Miocene hominin bipedalism in Chad. Nature, doi:10.1038/s41586-022-04901-z