Das Erlernen des Fahrradfahrens erfolgt in der Regel im Kindesalter unter Zuhilfenahme von Stützrädern und elterlicher Unterstützung. In dieser Phase sind Stürze ein wiederkehrendes Phänomen, bis schließlich die Fähigkeit erworben ist, Fahrrad zu fahren, ohne stützende Hilfsmittel. Der Übergang vom Anfänger zum fortgeschrittenen Fahrradfahrer erfolgt in der Regel schrittweise und sukzessive. Ein Gefühl des Stolzes stellt sich ein, wenn die Fähigkeit erlangt ist, ohne fremde Hilfe von einem Ort zum anderen zu gelangen.
Mit zunehmendem Alter treten jedoch andere Prioritäten in den Vordergrund, die die Ausübung des Fahrradfahrens in den Hintergrund rücken lassen. Nach einer längeren Pause kann das Radfahren erneut erlernt werden, ohne dass weitere Anstrengungen unternommen werden müssen. Das Erlernen des Fahrradfahrens ist ein Beispiel für prozedurales Gedächtnis, also für im impliziten Gedächtnis gespeicherte Fähigkeiten. Es ist für die Speicherung motorischer Abläufe zuständig, ohne dass ein aktives Nachdenken darüber erforderlich ist, vergleichbar mit dem Schwimmen oder Laufen.
Einmal erlernt, wird das Radfahren vom Gehirn nicht mehr „vergessen“. Dieser Prozess ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, darunter das Muskelgedächtnis und die Automatisierung. Beim Erlernen einer Bewegung, wie dem Treten der Pedale und dem Halten des Gleichgewichts, werden neuronale Verknüpfungen im Kleinhirn und den sogenannten Basalganglien gebildet, die dafür sorgen, dass die Bewegung flüssig und unbewusst abläuft.Auch nach jahrelanger Pause bleibt dieses Bewegungsmuster abrufbar.Das Lernen und die Wiederholungen spielen ebenfalls eine Rolle.
Die Häufigkeit der Wiederholung einer motorischen Fähigkeit korreliert dabei positiv mit deren Stabilität.Das Fahrradfahren erfordert eine Vielzahl sensorischer Anpassungen, die tief im Gehirn verankert sind und unter anderem den Balance-, Pedalrhythmus- und Lenkeffekte umfassen. Interessanterweise ist keine bewusste Steuerung vonnöten, da das Fahrradfahren über das unbewusste Nervensystem gesteuert wird.Im Gegensatz zu reinen Faktenwissen, das dem Vergessen anheimfallen kann, bleibt diese Fähigkeit bestehen. Des Weiteren ist das Gehirn dazu in der Lage, komplexe motorische Abläufe langfristig zu speichern. So ist es möglich, dass selbst nach einer mehrjährigen Unterbrechung der Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen, diese nach einer kurzen Phase der Wiederholung wiedererlangt werden kann.
Stangl, W. (2015, 9. Februar). Muskelgedächtnis. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https:// lexikon.stangl.eu/34558/muskelgedaechtnis.