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Mehrsprachigkeit bei Kindern

    Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, entwickeln von Beginn an getrennte Sprachsysteme für jede ihrer Sprachen. Ihre Gehirne sind darauf ausgelegt, die Strukturen und Regeln mehrerer Sprachen gleichzeitig zu erlernen und zu verarbeiten. Während des Spracherwerbs mischen diese Kinder oft unbewusst Wörter und Satzfragmente aus ihren verschiedenen Sprachen – ein Phänomen, das als „Code-Switching“ bezeichnet wird. Für Experten ist dieses Verhalten kein Anzeichen für Sprachstörungen, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Kinder ihren erworbenen Wortschatz geschickt und effektiv einsetzen. Sie imitieren lediglich das Sprachverhalten der Erwachsenen in ihrer Umgebung, die ebenfalls häufig verschiedene Sprachen vermischen.

    Entgegen weit verbreiteten Mythen gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Mehrsprachigkeit per se zu Entwicklungsstörungen der Sprache führt. Solche Auffälligkeiten haben in der Regel andere, angeborene Ursachen. Was allerdings beobachtet werden kann, ist, dass mehrsprachige Kinder zunächst in jeder einzelnen ihrer Sprachen über einen etwas kleineren Wortschatz verfügen als gleichaltrige Kinder, die nur eine Sprache lernen. Das liegt daran, dass die mehrsprachigen Kinder ihren Wortschatz gleichzeitig in verschiedenen Sprachen aufbauen – beim Spielen etwa eine andere Sprache verwenden als beim gemein- samen Essen mit der Familie.

    Betrachtet man jedoch den gesamten Wortschatz über alle erlernten Sprachen hinweg, zeigen Studien, dass dieser durchaus vergleichbar mit dem eines einsprachig aufwachsenden Kindes sein kann. Manche Wissenschaftler raten daher, bei der Beurteilung der sprachlichen Fähigkeit- en den „konzeptuellen Wortschatz“ zu berücksichtigen: Entscheidend ist also, ob das Kind die zugrundeliegenden Konzepte versteht und benennen kann – unabhängig davon, in welcher Sprache es dies tut.

    Literatur

    Bialystok Ellen, Craik Fergus I.M., Luk Gigi (2012). Bilingualism: Consequences for Mind and Brain. Trends Cognitive Sciences, 16, 240–250.