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Das unbewusste Berühren des Gesichts als Stressindikator

    Menschen berühren ihr Gesicht unbewusst bis zu 800 Mal pro Tag. Eine aktuelle Studie hat festgestellt, dass diese Selbstberührungen – insbesondere am unteren Gesicht – ein zuverlässiger Indikator für psychischen Stress während anspruchsvoller kognitiver Arbeit sind. Die Wissenschaftler analysierten dabei fast 170 Stunden Videoaufnahmen von zehn Forschern, die in ihren Büros arbeiteten. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Verfolgung der Berührungen und Wärmebildkameras zur Erfassung von stressbedingtem Schwitzen kamen sie zu folgenden Hauptergebnissen:

    Verlässlichster Indikator: Das gleichzeitige Berühren von Kinn, Wangen und Nase korrelierte am stärksten mit den stärksten körperlichen Stressreaktionen der Teilnehmer. Andere Berührungskombinationen zeigten einen schwächeren oder gar keinen Zusammenhang mit Stress.

    • Betroffene Zone: Wenn die geistige Belastung zunimmt, bewegt sich die Hand instinktiv zum unteren Gesichtsbereich, der oft als Teil der „T-Zone“ (Kinn, Nase, Stirn) bezeichnet wird. Diese Bereiche sind mit feinen Körperhaaren und dichten Nervenenden übersät.
    • Seitigkeit: Die Teilnehmer berührten überwiegend die linke Seite ihres Gesichts, was früheren Erkenntnissen entspricht, dass Menschen für spontane Selbstberührungen meist die nicht-dominante Hand verwenden.

    Evolutionäre und beruhigende Funktion

    Dieses Verhalten wird als eine Art selbstberuhigende Geste interpretiert, die evolutionäre Wurzeln hat, da ähnliche Verhaltensweisen auch bei anderen Primaten beobachtet wurden. Die Forscher argumentieren, dass die Berührung dieser hochsensiblen Regionen im unteren Gesicht in stressigen Momenten beruhigend wirkt. Sie schlussfolgern: „Das Berühren des unteren Gesichtsbereichs ist ein sicherer Indikator für eine Überaktivität des Sympathikus, die ein Indikator für psychischen Stress ist.“

    Eine frühere Studie aus dem Jahr 2022 deutete darauf hin, dass die Bewegung der Hand in Richtung des Gesichts – und nicht nur die Berührung selbst – eine Rolle bei der Emotionsregulation spielt. Das Verbot dieser Geste kann sogar die Gedächtnisleistung beeinträchtigen und die Gehirnaktivitätsmuster verändern.

    Bedeutung für die Stressmessung

    Die Messung dieser spontanen Selbstberührungen in natürlichen Arbeitsumgebungen ermöglicht eine zuverlässigere Erfassung von psychischem Stress als die Beobachtung von Gesichtsausdrücken. Dies liegt daran, dass Gesichtsausdrücke bewusst gesteuert oder maskiert werden können, während die unbewussten Selbstberührungen typischerweise außerhalb der willkürlichen Kontrolle erfolgen.

    Literatur

    Stangl, W. (2022, 23. Oktober). Warum greifen sich Menschen ins Gesicht? Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4201/warum-greifen-sich-menschen-ins-gesicht.

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