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Was passiert im Gehirn bei sozialer Interaktion?

    Viele Tiere leben und interagieren als Teil sozialer Gruppen, denn soziale Gruppen bieten ihren Mitgliedern einzigartige Vorteile, erfordern aber auch praktikable Formen der Kommunikation zwischen den Individuen, wie z. B. die Lautäußerung. Die neuronalen Mechanismen, die die sozial-vokale Gruppenkommunikation unterstützen, sind jedoch noch weitgehend unbekannt, was auch daran liegt, dass sich die meisten früheren Studien jeweils nur auf eine Seite der Kommunikation konzentrierten, die neuronale Aktivität jeweils nur in einem Gehirn gemessen wurde und sie außerhalb des sozialen Umfelds der Gruppe durchgeführt wurden. Dies schränkte die Untersuchung von Schlüsselaspekten der sozialen Gruppenkommunikation ein, wie z. B. die neuronale Repräsentation von Selbst und Anderen, die individuelle Identität und der Einfluss sozialer Beziehungen und des Kontexts auf die Aktivitätsmuster zwischen und innerhalb der Gehirne. Daher besteht eine große Wissenslücke zwischen der Ethologie der sozialen Gruppenkommunikation und der Untersuchung ihrer neurophysiologischen Grundlagen.

    Rose et al. (2021) ließen Gruppen von ägyptischen Flughunde bei gleichzeitigen drahtlosen neurophysiologischer Aufzeichnungen bei mehreren Tieren frei interagieren und vokalisieren, wie sie es in freier Wildbahn tun würden. Während frei auftretender sozialer und vokaler Interaktionen beobachteten man dabei zwei Hauptmuster neuronaler Aktivität, eines in den Gehirnen der einzelnen Tiere und eines in den Gehirnen der Gruppenmitglieder. Ägyptische Flughunde leben in großen Gruppen, in denen die Individuen lang anhaltende soziale Beziehungen eingehen. Die Kommunikation innerhalb dieser Gruppen erfolgt über Lautäußerungen, die sozial relevante Informationen über die individuelle Identität, den Kontext und die sozialen Beziehungen enthalten.

    In den einzelnen Gehirnen konnte man beobachten, dass die Aktivität einzelner Neuronen zur Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Gesängen genutzt werden konnte. Darüber hinaus konnte die Identität des vokalisierenden Individuums aus der Aktivität einzelner Neuronen entschlüsselt werden, was über das hinausgeht, was man aufgrund der akustischen Unterschiede zwischen den vokalisierenden Fledermäusen erwarten würde. In allen Gehirnen fand man auch, dass die Vokalisationen eine Synchronisation der Leistung des hochfrequenten lokalen Feldpotentials zwischen den Gruppenmitgliedern auslöste. Diese Synchronisationsmuster waren bidirektional und blieben über Wochen der Aufzeichnung stabil. Um die sensomotorischen Aspekte der vokalen Interaktionen weiter von den sozial-kommunikativen Aspekten zu trennen, trainierte man die Fledermäuse darauf, für eine Belohnung zu vokalisieren, und zwar in einer Umgebung, in der Vokalisationen sonst nicht vorkommen würden. Es zeigte sich dabei, dass während der trainierten Vokalisationen die Aktivität einzelner Neuronen umstrukturiert wurde und die gemeinsamen Aktivitätsmuster zwischen den Gehirnen aufgehoben wurden. Schließlich stellte man fest, dass sowohl die intra- als auch die intercerebralen Aktivitätsmuster durch die sozialen Präferenzen der einzelnen Gruppenmitglieder moduliert wurden, so dass Fledermäuse, die lieber mehr Zeit mit anderen verbringen, eine stärkere neuronale Identitätsrepräsentation und ein höheres Maß an intercerebralen Synchronizität hervorriefen.
    Durch diese Untersuchung der cortikalen Aktivität in Gruppen hochsozialer Säugetiere konnte man daher ein spezielles neuronales Repertoire für die soziale Kommunikation in Gruppen aufdecken und konnte zeigen, dass sowohl intra- als auch intercerebrale Aktivitätsmuster durch den sozialen Kontext und individuelle soziale Präferenzen moduliert werden.

    Literatur

    Rose, Maimon C., Styr, Boaz, Schmid, Tobias A., Elie, Julie E. & Yartsev, Michael M. (2021). Cortical representation of group social communication in bats. Science, 374, doi: 10.1126/science.aba9584.