Das erfolgreiche Erkennen von vertrauten Personen ist entscheidend für soziale Interaktionen. Wenn man das Gesicht einer Person sieht, weiß man in der Regel sofort, ob man sie schon einmal gesehen hat oder nicht. Bereits nach circa vierhundert Millisekunden zeigen sich dabei im rechten temporalen Cortex messbare Gehirnaktivitäten als Zeichen dafür, dass ein Gesichter als bekannt wahrgenommen wird.
Trotz umfangreicher Forschung zu den neuronalen Repräsentationen von vertrauten Gesichtern weiß man noch relativ wenig darüber, wie sich solche Repräsentationen entfalten, wenn einem ein Mensch mit der Zeit vertraut wird. Ambrus et al. (2021) haben in drei EEG-Experimenten mit menschlichen Probanden beiderlei Geschlechts untersucht, wie Repräsentationen von Gesichtsvertrautheit und -identität bei unterschiedliche Kontaktqualitäten entstehen: kurze Wahrnehmungsexposition, umfangreiche Medienvertrautheit und persönliche Vertrautheit im realen Leben.
Mit Hilfe einer multivariaten repräsentativen Ähnlichkeitsanalyse konnte man zeigen, dass die Art der Vertrautheit einen tiefgreifenden Einfluss auf die Repräsentationen von Gesichtern hat, wobei sich zusätzlich die Vertrautheit der Repräsentationen von Gesichtsvertrautheit und Identität unterschiedlich formt, d. h., wenn man jemanden kennenlernt, erscheinen Vertrautheitssignale vor der Bildung von Identitätsrepräsentationen. Insgesamt zeigte sich, dass die Qualität des Kontaktes einen großen Einfluss auf die Repräsentationen der Gesichtsvertrautheit hat, denn diee war stark nach persönlicher Vertrautheit, schwächer nach medialer Vertrautheit und nicht vorhanden nach perzeptueller Vertrautheit. In allen Experimenten fand man keine Verstärkung der Identitätsrepräsentation von Gesichtern, was darauf hindeutet, dass Vertrautheits- und Identitätsrepräsentationen während der Gewöhnung an Gesichter unabhängig voneinander entstehen.
Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer umfangreichen, realen Gewöhnung an ein Gesicht für die Entstehung robuster Repräsentationen der Gesichtsvertrautheit und schränken Modelle der Gesichtswahrnehmung und des Erkennungsgedächtnisses ein.
Literatur
Ambrus, Géza Gergely, Eick, Charlotta Marina, Kaiser, Daniel & Kovács, Gyula (2021). Getting to know you: emerging neural representations during face familiarization. The Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.2466-20.2021.