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Wie das Gehirn Krankheitssymptome koordiniert

    Während einer Infektion zeigen Tiere wie Menschen adaptive Veränderungen in der Physiologie und im Verhalten, um ihr Überleben zu sichern, doch obwohl es viele Infektionsursachen gibt, lösen sie ähnliche stereotype Symptome wie Fieber, Wärmebedürfnis, Appetitlosigkeit und Müdigkeit aus. Osterhout et al. (2022) haben nun untersucht wie das Nervensystem die Körpertemperatur verändert und Krankheitsverhalten auslöst, um die Reaktionen auf eine Infektion zu koordinieren, und identifizierten eine bisher nicht charakterisierte Gruppe von Neuronen im ventralen medialen präoptischen Areal des Hypothalamus, die nach einer durch Lipopolysaccharid oder Polyinosin-Polycytidylsäure ausgelösten Krankheit aktiviert werden. Dazu injizierten sie Versuchstieren (Mäuse) zunächst entzündungsfördernde Substanzen, die eine bakterielle oder virale Infektion imitierten. Diese Gruppe von Neuronen war entscheidend für die Auslösung einer Fieberreaktion und anderer Krankheitssymptome wie Wärmebedürfnis und Appetitlosigkeit. Dabei wurde die Zellen der Blut-Hirn-Schranke, die in Kontakt mit dem Blut und dem peripheren Immunsystem stehen, aktiviert, indem diese nicht-neuronalen Zellen daraufhin Botenstoffe absonderten, die wiederum die Population von Neuronen aktivieren, d. h., auf diese Weise kommuniziert das Gehirn also direkt mit dem Immunsystem. Als man darauf hin die entsprechende Hirnregion ohne eine zugrundeliegende Infektion künstlich aktivierte, stimulierten sie die entsprechenden Neuronen, wobei die Körpertemperatur der Mäuse stieg, sie weniger fraßen und sich bevorzugt an einem auf dreißig Grad beheizten Bereich ihres Käfigs aufhielten. Darüber hinaus projizierten die entsprechenden Neuronen auf zwölf Hirnareale, von denen einige dafür bekannt sind, Durst, Schmerzempfinden oder soziale Interaktionen zu kontrollieren, was darauf hindeutet, dass auch andere Verhaltensweisen bei Krankheiten durch die Aktivität dieser Neuronen beeinflusst werden könnten.

    Obwohl sich all diese Reaktionen evolutionär entwickelt haben, um das Überleben des Individuums zu fördern, können sie in zu hohem Maße schädlich sein, denn Fieber kann zwar helfen, die Krankheitserreger zu bekämpfen, doch wird es hoch, schädigt es den Körper und kann sogar lebensbedrohlich werden. Ähnliches gilt für ein verringertes Hunger- und Durstgefühl. Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass die Neuronen im ventralen medialen präoptischen Areal des Hypothalamus als Kontrollzentrum, das Immunsignale integriert, um mehrere Krankheitssymptome als Reaktion auf eine Infektion zu steuern.

    Literatur

    Osterhout, Jessica A., Kapoor, Vikrant, Eichhorn, Stephen W., Vaughn, Eric, Moore, Jeffrey D., Liu, Ding, Lee, Dean, DeNardo, Laura A., Luo, Liqun, Zhuang, Xiaowei & Dulac, Catherine (2022). A preoptic neuronal population controls fever and appetite during sickness. Nature, doi:10.1038/s41586-022-04793-z.
    https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/wie-das-gehirn-krankheitssymptome-steuert/ (22-06-09)