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Was Tauben träumen

    Der Schlaf von Säugetieren wird mit der Aufrechterhaltung einer gesunden extrazellulären Umgebung im Gehirn in Verbindung gebracht. Während des Wachzustandes führt die neuronale Aktivität zur Anhäufung toxischer Proteine, die das glymphatische System vermutlich durch Spülung der Rückenmarksflüssigkeit durch das Gehirn beseitigt. Bei Mäusen findet dieser Prozess während des NREM-Schlafs statt. Auch beim Menschen hat sich gezeigt, dass der ventrikuläre Liquorfluss während des NREM-Schlafs zunimmt, was mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie sichtbar gemacht werden kann. Ungurean et a. (2023) haben nun den Zusammenhang zwischen Schlaf und Liquorfluss bei Vögeln untersucht, wobei mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie von natürlich schlafenden Tauben gezeigt, dass der REM-Schlaf, ein paradoxer Zustand mit wachähnlicher Hirnaktivität, mit der Aktivierung von Hirnregionen einhergeht, die an der Verarbeitung visueller Informationen beteiligt sind, einschließlich des Liquorflusses während des Fluges. Während der REM-Phasen wurde die Amygdala aktiviert, also jene Gehirnstruktur, die bei emotionalen Prozessen eine wichtige Rolle spielt, was darauf hindeutet, dass auch Vögel in ihren Träumen Gefühle empfinden, sofern sie etwas erleben, das den menschlichen Träumen ähnelt. Dies wird durch die Beobachtung unterstützt, dass sich im REM-Schlaf die Pupillen der Vögel schnell zusammenziehen, so wie es im Wachzustand zum Beispiel bei der Balz oder bei Aggression der Fall ist. Man vermutet, dass die Reinigung des Gehirns im Schlaf für Vögel von besonders großer Bedeutung sein könnte, und da Vogelgehirne dichter mit Nervenzellen gepackt sind als die Gehirne von Säugetieren, sind möglicherweise effizientere oder häufigere Spülzyklen erforderlich, um schädliche Rückstände abzutransportieren. Vögel erleben während des Schlafs häufigere und kürzere REM-Phasen und der damit verbundene häufige Anstieg des Blutstroms könnte dabei helfen, ihre dichten Gehirne von schädlichen Abfallprodukten freizuhalten.

    Unterschiede in der Gehirnstruktur zwischen Vögeln und Säugetieren

    Eine Untersuchung von Zaremba et al. (2025) befasste sich mit den evolutionären und entwicklungsbiologischen Aspekten des Vogelgehirns, insbesondere der Struktur und Funktion des Palliums, das für kognitive Fähigkeiten wie Gedächtnis und Lernen verantwortlich ist. Vögel haben sich im Vergleich zu Säugetieren und Reptilien in ihrer Gehirnstruktur deutlich anders entwickelt, besitzen aber dennoch ähnliche kognitive Funktionen, die bei einigen Arten komplexe Lern- und Gedächtnisprozesse ermöglichen. In diese Untersuchung konzentrierte man sich daher auf das Pallium von Vögeln und verglich dessen Zelltypen und Entwicklung mit denen von Mäusen und Reptilien. Dabei fand man, dass bestimmte Nervenzellen, die die Gehirnaktivität regulieren, zwischen den Arten weitgehend ähnlich geblieben sind. Hingegen haben sich Neuronen, die für die Signalübertragung zuständig sind, unterschiedlich entwickelt – einige blieben nahezu unverändert, während andere sich stark diversifizierten oder ihre anatomische Anordnung änderten. Die Studie zeigte auch, dass das Hyperpallium, eine bei Vögeln vorkommende Hirnstruktur, nicht direkt mit dem Neocortex von Säugetieren vergleichbar ist, was frühere Theorien widerlegt. Man entdeckten nämlich, dass bestimmte Neuronen in weit voneinander entfernten Regionen des Vogelgehirns große Ähnlichkeit aufweisen, obwohl sie unterschiedlichen embryonalen Ursprüngen entstammen. Diese Erkenntnisse stellen die traditionelle Vorstellung infrage, dass die Funktion von Neuronen ausschließlich durch ihre Position im embryonalen Gehirn bestimmt wird. Offenbar kann ein differenziertes Verständnis der Gehirnevolution und komplexer kognitiver Fähigkeiten nur durch die Berücksichtigung molekularer Daten und embryonaler Entwicklungsprozesse gewonnen werden.

    Literatur

    Stangl, W. (2025, 15. Februar). Unterschiede in der Gehirnstruktur zwischen Vögeln und Säugetieren. Psychologie-News.

    Unterschiede in der Gehirnstruktur zwischen Vögeln und Säugetieren


    Ungurean, Gianina, Behroozi, Mehdi, Böger, Leonard, Helluy, Xavier, Libourel, Paul-Antoine, Güntürkün, Onur & Rattenborg, Niels C. (2023). Wide-spread brain activation and reduced CSF flow during avian REM sleep. Nature Communications, 14, doi:10.1038/s41467-023-38669-1.
    Zaremba, B., Fallahshahroudi, A., Schneider, C., Schmidt, J., Sarropoulos, I., Leushkin, E., Berki, B., Van Poucke, E., Jensen, P., Senovilla-Ganzo, R., Hervas-Sotomayor, F., Trost, N., Lamanna, F., Sepp, M., García-Moreno, F.,& Kaessmann, H. (2025). Developmental origins and evolution of pallial cell types and structures in birds. Science, doi.:10.1126/science.adp5182