Mittels neuronaler Netzwerkkartierung in Gehirnen von Mäusen, Affen und Menschen haben Loomba et al. (2022) nun entdeckt, dass die neuronalen Netzwerke in der Hirnrinde des Menschen ein neues Interneuron-zu-Interneuron-Netzwerk entwickelt haben, das in Mäusen quasi fehlt. Die Daten zeigten, dass gerade die Minderheit der Nervenzellen, hemmende Interneurone, eine äußerst starke Vorliebe für die synaptische Vernetzung mit anderen Interneuronen entwickelen, während sie die Hemmung der sogenannten Prinzipalzellen weitgehend unverändert belassen.
Hemmende Interneurone stellen rund ein Viertel bis ein Drittel der Nervenzellen im menschlichen Cortex, und sie haben ganz erstaunliche Wirkung: sie sind selbst stark elektrisch aktiv, stimulieren damit aber nicht etwa andere Nervenzellen, sondern hemmen sie in ihrer Aktivität und wirken quasi als Beruhiger des Gehirns. Die Dynamik, die entsteht, wenn hemmende Nervenzellnetzwerke mit sich selbst kommunizieren, ist noch nicht gut verstanden, aber es gibt theoretische Hinweise darauf, dass sie zu längerem Verweilen von Sinneseindrücken oder Gedanken führen, also das Arbeitsgedächtnis verlängern können. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Netzwerken um die Grundlage ausschweifenden Denkens, also einen Gedanken oder eine Idee länger behalten zu können, um diese selbst als Objekt des weiteren Denkens zu nutzen.
Literatur
S. Loomba, J. Straehle, V. Gangadharan, N. Heike, A. Khalifa, A. Motta, N. Ju, M. Sievers, J. Gempt, H.S. Meyer & M. Helmstaedter (2022). Connectomic comparison of mouse and human cortex. Science, doi:10.1126/science.abo0924.
https://www.mpg.de/18841835/0622-hirn-beruhigen-um-zu-denken-151365-x (22-06-25)