Farbe ist der Ort, wo unser Gehirn und das Weltall sich begegneten, sagte einmal Paul Cézanne. Biologisch gesagt: Farbe ist eine Interpretation des Gehirns von Strahlung. In der menschlichen Netzhaut sitzen Rot-, Grün- und Blauzapfen. Die verarbeiten Licht einer Wellenlänge von 400 (violett) bis 700 Nanometer (rot). Wirft etwa ein Luftballon langwellige Strahlung zurück, trifft sie auf unsere Netzhaut und lässt den Ballon rot erscheinen. Farben gibt es also ausschließlich im Zusammenspiel von Organismus und Umwelt. Die Farbwahrnehmung ist daher ein faszinierender Prozess, der durch die Interaktion von Licht, den Strukturen des Auges und dem Gehirn ermöglicht wird. Folgende Faktoren sind dabei wesentlich:
- Lichtquelle: Farben entstehen durch Licht, das von einer Lichtquelle ausgesendet oder reflektiert wird. Das Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen unterschiedlicher Wellenlängen, die für das menschliche Auge sichtbar sind.
- Das Auge: Das Auge spielt eine wichtige Rolle bei der Farbwahrnehmung. Licht gelangt durch die transparente äußere Schicht des Auges, die Hornhaut, und passiert dann die Pupille, die sich je nach Lichtverhältnissen verengt oder erweitert, um die Menge des einfallenden Lichts zu regulieren. Dahinter liegt die Linse, die das Licht fokussiert und auf die Netzhaut projiziert.
- Die Netzhaut: Die Netzhaut ist eine Schicht aus lichtempfindlichen Zellen, den sogenannten Photorezeptoren. Es gibt zwei Arten von Photorezeptoren: die Stäbchen und die Zapfen. Die Stäbchen sind empfindlich gegenüber Helligkeit und Dunkelheit und spielen eine Rolle bei der Nacht- und peripheren Sicht. Die Zapfen hingegen sind für die Farbwahrnehmung verantwortlich.
- Zapfen und Farbrezeptoren: Die Zapfen sind in drei Arten unterteilt, die jeweils empfindlich für unterschiedliche Bereiche des Farbspektrums sind: rot, grün und blau. Diese Farbrezeptoren sind am besten geeignet, um Licht mit bestimmten Wellenlängen zu absorbieren. Wenn Licht auf die Zapfen trifft, erzeugt es eine biochemische Reaktion, die elektrische Signale erzeugt.
- Signalverarbeitung im Gehirn: Die elektrischen Signale aus den Zapfen werden entlang des Sehnervs zum Gehirn weitergeleitet. Im Gehirn erfolgt eine komplexe Verarbeitung der Signale, bei der Farbinformationen analysiert und interpretiert werden. Bestimmte Bereiche des Gehirns, wie der primäre visuelle Kortex, sind an der Verarbeitung von Farbinformationen beteiligt.
- Farbwahrnehmung: Basierend auf den Informationen, die aus den Zapfen und der Signalverarbeitung im Gehirn stammen, wird schließlich die Farbwahrnehmung erzeugt. Das Gehirn interpretiert die Signale und erzeugt das bewusste Erlebnis von Farbe.
Die Farbwahrnehmung wird jedoch zusätzlich von anderen Faktoren wie individuellen Unterschieden, kulturellen Einflüssen und Umgebungsbedingungen beeinflusst.
Die neuronale Farbverarbeitung ist offenbar intersubjektiv
In einer aktuellen Studie konnten Bannert & Bartels (2025) zeigen, dass Farben bei verschiedenen Menschen ähnliche neuronale Reaktionen hervorrufen. Dies lässt sich durch eine neue Methode belegen, mit der sich die wahrgenommene Farbe eines Menschen allein anhand der Gehirnaktivität anderer Personen vorhersagen lässt. Bisherige Studien waren nur in der Lage, Farben aus der Gehirnaktivität ein- und derselben Person zu dekodieren. Die vorliegende Forschung geht einen Schritt weiter: Sie weist nach, dass sich bestimmte Aspekte der Farbwahrnehmung überindividuell im Gehirn abbilden lassen. Hierfür untersuchte man mithilfe funktioneller Bildgebung (fMRT) die farbbezogenen Hirnreaktionen einer Gruppe von Versuchspersonen. Anschließend wurde ein Computermodell trainiert, das ausschließlich auf Basis der Gehirnaktivität anderer Teilnehmender vorhersagen konnte, welche Farbe ein Individuum betrachtete. Die Vorhersagen beruhten auf der neuronalen Aktivität in bestimmten Arealen der Sehrinde (V1-V3, hV4 und LO1), in denen Farben offenbar systematische, regionsspezifische und gleichzeitig über verschiedene Menschen hinweg vergleichbare Aktivitätsmuster auslösen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es große, systematische Übereinstimmungen in der Art und Weise gibt, wie Farben im Gehirn verarbeitet werden – und zwar unabhängig davon, welche konkrete Person sie betrachtet. Dies deutet auf eine grundlegende Struktur der Farbwahrnehmung hin, die möglicherweise evolutionär bedingt ist oder funktional durch die Organisation des visuellen Systems determiniert wird. Gleichzeitig bleiben Unterschiede in der subjektiven Farbempfindung bestehen – so lässt sich nicht sagen, ob das Rot, das eine Person sieht, exakt gleich aussieht wie das Rot einer anderen. Dennoch belegen die Befunde, dass bestimmte sensorische Aspekte der Farbwahrnehmung im Gehirn universell codiert sind. Die visuelle Verarbeitung von Farben ist offensichtlich nicht individuell, sondern auch intersubjektiv vergleichbar organisiert.
Literatur
Bannert, M. M., & Bartels, A. (2025). Large-scale color biases in the retinotopic functional architecture are region specific and shared across human brains. The Journal of Neuroscience, doi;10.1523/JNEUROSCI.2717-20.2025
Stangl, W. (2025, 10. September). Wie Farben vergleichbare neuronale Reaktionen bei unterschiedlichen Menschen auslösen. Psychologie-News.
https:// psychologie-news.stangl.eu/6059/wie-farben-vergleichbare-neuronale-reaktionen-bei-unterschiedlichen-menschen-ausloesen.
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2023/03/farben-wahrnehmung-biologie-gehirn-licht-strahlung (23-05-28)