Zum Inhalt springen

Geruchssinn und das olfaktorische Gedächtnis

    Der Geruchssinn ist entwicklungsgeschichtlich einer der ältesten Sinne, denn keine andere Wahrnehmung empfinden Menschen so unmittelbar wie das Riechen. Während Sehen, Hören, Fühlen und Schmecken kognitiv vorgefiltert werden, gelangen Geruchsinformationen unmittelbar ins Gehirn, da die Riechnerven direkt in die Nase reichen, wobei die Gerüche in annähernd der gleichen Gehirnregion wie Emotionen verarbeitet werden.

    Der Geruchssinn ist der komplexeste chemische Sinn und steht in direktem Kontakt mit unserem Gehirn. In der relativ kleinen Fläche der Riechschleimhaut befinden sich Millionen von hochspezialisierten Rezeptorzellen, die eine Vielzahl an Düften und flüchtigen Molekülen wahrnehmen können. Diese chemischen Signale werden über den Riechnerv direkt an das limbische System im Gehirn weitergeleitet, wo uralte Areale für die Verarbeitung von Emotionen und Trieben zuständig sind.

    So steuern Gerüche maßgeblich unser Essverhalten und unsere Sexualität. Ein Rauchgeruch etwa löst noch aus uralten Zeiten die Fluchtreaktion vor Feuer aus. Auch die unbewusste Partnerwahl wird durch die subtilen Duftsignale beeinflusst. Darüber hinaus spielen hormonelle Schwankungen im weiblichen Zyklus eine wichtige Rolle für unsere Duftwahrnehmung. Manche Studien deuten sogar darauf hin, dass der einzigartige Körpergeruch eines Menschen ein Indikator für seine genetische Prägung und immunologische Konstitution sein könnte.

    Interessant ist, dass der Geruchssinn eng mit unserem Wohlbefinden und der Stimmungslage verbunden ist. So verändert sich die Wahrnehmung von Gerüchen deutlich, wenn man zum Beispiel satt oder hungrig ist. Auch Stress, Krankheit oder Medikamente können die Geruchsempfindung beeinflussen. Darüber hinaus zeigt sich, dass Frauen, die die hormonelle Verhütung absetzen, oft eine markante Änderung in ihrer Geruchswahrnehmung berichten.

    Der Geruchssinn spielt eine viel größere Rolle in unserem Leben, als viele denken. Unser Gehirn speichert Gerüche, ohne dass wir dafür Worte finden können. Dieses olfaktorische Gedächtnis ist tief in unseren emotionalen und unbewussten Erfahrungen verwurzelt. Unerfahrene Personen können etwa die Hälfte der Gerüche wiedererkennen, die ihnen mehrfach präsentiert werden. Geübte Menschen schaffen sogar eine erstaunliche Trefferquote von bis zu 98 Prozent. Allerdings ist die sprachliche Beschreibung von Gerüchen eine sehr komplexe Herausforderung, da unser Vokabular hierfür eher begrenzt ist.

    Literatur
    Stangl, W. (2012, 19. August). Olfaktorische Wahrnehmung. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
    https://lexikon.stangl.eu/6452/olfaktorische-wahrnehmung.