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Virtuelles Waldbaden gegen Stress

    Eine Studie von Ascone et al. (2025) ging der Frage nach, ob auch ein virtueller Waldspaziergang positive Effekte auf Stimmung und kognitive Leistung haben kann – und zwar dann, wenn er nicht nur visuell, sondern auch auditiv und olfaktorisch erfahrbar gemacht wird. Man testete an 136 gesunden Erwachsenen verschiedene Formen virtueller Naturerfahrung: Eine rein visuelle VR-Darstellung eines Douglasienwaldes, ergänzt durch Vogelgesang (auditiv) und/oder den Duft der Bäume (olfaktorisch). Dabei wurde eine multimodale Kombination aus allen drei Sinneseindrücken (VOA-Bedingung) einer rein unimodalen Präsentation (nur visuell, nur auditiv oder nur olfaktorisch) gegenübergestellt. Ziel war es herauszufinden, ob ein solch umfassender Reizverbund einen sogenannten supra-additiven Effekt entfalten kann – also ob die Wirkung der Kombination stärker ist als die Summe ihrer Einzelteile.

    Alle untersuchten Gruppen zeigten eine signifikante Erholung vom vorher induzierten Stress. Besonders die Gruppe mit multimodalem Waldbad profitierte: Sie berichtete von gesteigertem positiven Affekt und einem stärkeren Gefühl der Verbundenheit mit der Natur. Negative Gefühle konnten zwar in allen Bedingungen reduziert werden, allerdings zeigte die multimodale Reizkombination hier keinen zusätzlichen Vorteil. Auf kognitiver Ebene war das Bild differenzierter: Während bei der Exekutivfunktion und der Inhibition keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Bedingungen feststellbar waren, zeigte sich im Arbeitsgedächtnis – gemessen durch den „Digit Span backward“ – ein deutlicher Vorteil für die multimodale Gruppe gegenüber der rein auditiven Bedingung. Digit Span backward ist ein psychologischer Test, bei dem Teilnehmende eine vorgelesene Zahlenreihe in umgekehrter Reihenfolge wiedergeben müssen. Er misst das Arbeitsgedächtnis, also die Fähigkeit, Informationen kurzfristig zu speichern und mental zu verarbeiten. In der Studie von Ascone et al. (2025) diente dieser Test dazu, die kognitive Erholung nach Stress zu prüfen.

    Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass virtuelle Naturerfahrungen tatsächlich eine stressreduzierende Wirkung entfalten können – insbesondere, wenn mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden, auch wenn die positiven Effekte nicht verallgemeinert werden dürfen: Die kognitiven Verbesserungen waren spezifisch für das Arbeitsgedächtnis und nicht generell über alle getesteten Bereiche hinweg nachweisbar. Ebenso konnte die virtuelle Natur das reale Naturerleben nicht vollständig ersetzen, sondern eher ergänzen. Gerade für Orte wie Kliniken oder Wartebereiche, in denen echte Natur kaum verfügbar ist, könnte die immersive Technologie jedoch eine wirksame Intervention zur kurzfristigen Stressreduktion darstellen.

    Literatur

    Ascone, L., Mostajeran, F., Mascherek, A., Tawil, N., Knaust, T., Samaan, L. & Kühn, S. (2025). Multi- vs. unimodal forest-bathing in VR to enhance affective and cognitive recovery after acute stress. Journal of Environmental Psychology, 105, doi:10.1016/j.jenvp.2025.102637