Der Mensch ist wahrscheinlich das einzige Lebewesen, das in der Lage ist, emotionale Tränen zu vergießen. Barthelmäs et al. (2022) stellen eine theoriegestützte Taxonomie des Weinens vor, wobei sie davon ausgehen, dass dem Weinen die Frustration oder die Befriedigung psychologischer Bedürfnisse vorausgeht, sodass die häufigsten Anlässe für das Weinen in fünf Kategorien eingeteilt werden können: Einsamkeit, Ohnmacht, Überlastung, Harmonie und Medien. So kommt Einsamkeit etwa durch ein nicht erfülltes Bedürfnis nach Nähe zustande, zu denen Tränen aufgrund von Liebeskummer oder Heimweh zählen. Freudentränen hingegen treten nach der intensiven Befriedigung des Bedürfnisses nach Harmonie auf. Tränen aufgrund von Machtlosigkeit sind etwa die Reaktion auf eine Todesnachricht. Zu unterscheiden sind auch die emotionalen Tränen von den basalen Tränen, die das Auge feucht halten und schützen, also Tränen als Reflex auf Kälte, Wind oder beim Zwiebelschneiden.
Eine Überprüfung dieser Annahmen in einer retrospektiven Studie bzw. einer elektronischen Tagebuchstudie zeigte, dass alle Weinepisoden zuverlässig diesen fünf Kategorien zugeordnet werden konnten, wobei die theoretisch angenommenen Beziehungen zu frustrierten bzw. befriedigten psychologischen Bedürfnissen zutage traten und die Kategorien systematisch mit dem subjektiven Wohlbefinden zusammenhingen, was auf ihre Kriteriumsvalidität hinweist.
Literatur
Barthelmäs, Michael, Kesberg, Rebekka, Hermann, Armin & Keller, Johannes (2022). Five reasons to cry—FRC: a taxonomy for common antecedents of emotional crying. Motivation and Emotion, 46, 404-427.