Die Hippocampus-Entorhinal-Region unterstützt das Gedächtnis für episodische Details, wie z. B. zeitliche Beziehungen von aufeinanderfolgenden Ereignissen, und mnemotechnische Konstruktionen, die Erfahrungen für Schlussfolgerungen kombinieren. Offenbar werden Ereignisse, die zeitlich eng beieinander liegen, auch ähnlich im Gehirn abgespeichert, doch nutzt das Gehirn dafür eine Art innere Uhr oder ist es ein psychologischer Effekt, der für die Zeiteinschätzung wichtig ist? Es ist also unklar, ob die Erinnerungen an Ereignisse im Hippocampus zeitliche Beziehungen widerspiegeln, die sich aus mnemotechnischen Konstruktionen, der Reihenfolge der Ereignisse oder der verstrichenen Zeit ergeben, und ob diese Sequenzrepräsentationen zeitliche Beziehungen über ähnliche Sequenzen hinweg verallgemeinern.
In einer Studie von Bellmund et al. (2022) konstruierten die Teilnehmer mnemotechnisch Zeitpunkte von Ereignissen aus mehreren Sequenzen, indem sie seltene Hinweise und ihre Erfahrung des Zeitablaufs nutzten. Nach dem Lernen spiegelten die Ereignisrepräsentationen im anterioren Hippocampus zeitliche Beziehungen auf der Grundlage der konstruierten Zeiten wider. Zeitliche Beziehungen wurden über Sequenzen hinweg verallgemeinert, wobei unterschiedliche Darstellungsformate für Ereignisse aus der gleichen oder aus verschiedenen Sequenzen zum Vorschein kamen. Strukturelles Wissen über Zeitmuster, abstrahiert von verschiedenen Sequenzen, beeinflusste offenbar die Konstruktion spezifischer Ereigniszeiten.
Anhand der Aktivitätsmuster in dieser Region hat man nun gesehen, dass Ereignisse aus unterschiedlichen Sequenzen, die zeitlich nah beieinander liegen, tatsächlich ähnlicher abgespeichert werden als Ereignisse, die weit voneinander entfernt sind. Das Gehirn ordnet also verschiedene Erinnerungen auf der gleichen Zeitleiste an, denn so arbeitet das Gehirn sehr effizient. Jedoch hat diese Generalisierung ihre Tücken, denn das kann auch dazu führen, dass man einzelne Erinnerungen miteinander vermischt. Wenn man zum Beispiel weiß, dass man normalerweise immer gegen neun Uhr an seinem Arbeitsplatz ist, beeinflusst das natürlich die Schätzung für einen bestimmten Tag. Es kann also zu einer Verzerrung in der Erinnerung führen, denn vielleicht war man an diesem Tag etwas später im Büro, aber das Gehirn generalisiert auf neun Uhr, wovon man natürlich später fest überzeugt ist.
Einer der wichtigsten Befunde dieser Studie ist daher, dass das strukturelles Wissen jede Schätzung für die spezifischen Zeitpunkte von Ereignissen zu verzerren scheint. Diese Ergebnisse zeigen letztlich, dass die mnemotechnische Konstruktion und die Generalisierung von Beziehungswissen im Hippocampus zusammenwirken, was mit der Simulation von Szenarien aus episodischen Details und strukturellem Wissen übereinstimmt.
Literatur
Bellmund, Jacob L. S., Deuker, Lorena, Montijn, Nicole D. & Doeller, Christian F. (2022). Mnemonic construction and representation of temporal structure in the hippocampal formation. Nature Communications, 13, doi:10.1038/s41467-022-30984-3.
https://www.mpg.de/18841020/die-psychologische-zeit-formt-unsere-erinnerungen (22-07-01)